Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition)
war. Er vererbte sie an seine älteste Tochter, die in die Familie Pole eingeheiratet hat, und dann … wie Sie wissen … hinterließ Margaret Pole sie Gerry Murray, der mit Pierce Geschäfte gemacht und sein Erbe an die Franzmänner verhökert hat.»
«Und gab es irgendwelchen Tratsch?»
«Was für Tratsch?»
«Na ja … meine Sorte Tratsch.»
Er verkraftete es gut. Er blinzelte nicht einmal. Er war schließlich Exsoldat.
«Hab ich nie von gehört. In den Verkaufsunterlagen war eine Scheune aufgeführt, aber Albert Evans hat sie zum Wohnhaus ausgebaut, in das er nach seiner Pensionierung ziehen wollte. Er dachte, sein Ältester könnte dann mit
seiner
Familie das Bauernhaus übernehmen. Albert hat aber nicht lange in Cole Barn gewohnt. Ist ins Dorf runtergezogen, war bequemer für ihn. Das Haus wurde irgendwann entkernt und als Stall genutzt. Mehr weiß ich nicht.»
«Das Erste, was ich gehört hab», sagte Gomer, «war, als der alte Harold Wescott das Land von Maggie Pole gepachtet hat. Er hat sein Vieh draufgestellt, un die Tiere ham nachts so einen Spektakel veranstaltet, dass Maggie oben in Cole Farm nicht schlafen konnt. Also hat sie Harold gesagt, er soll die Tiere zwei Meilen weiter zu seiner eigenen Scheune bringen. Un so is ein Traktorunterstand aus der Scheune geworden, verstehnse? Traktoren muhen nämlich nich.»
«Das wusste ich gar nicht», sagte James. «Man lernt nie aus.»
«Ich hab dort mal für Harold nen Graben angelegt», sagte Gomer. «Besser gesagt, ich hab’s versucht. Warn schrecklicher Auftrag. Alles, was ging, is schiefgelaufen. Manchmal gibt’s einfach Erde, die nich bewegt werden will, verstehense?»
«Wie sind Sie denn auf diesen Gedanken gekommen?»
«Da hat man eben einfach das Gefühl, der Boden will eim was sagen.»
«So was wie
Scher dich hier weg
?»
«Kann sein. Der alte Bagger … is zweimal kaputtgegangen. Na ja, ich sag alter Bagger, is aber klar, dass der damals neu war, und seitdem gab’s nie mehr Probleme damit. Ich geh also zu Harold Westcott und sag, Harold, kannste diesen Graben nich woanders anlegen? Also, ich wusste ja, dass es anders ging, aber der Graben wär länger geworden, un bei Harold ging’s immer knapp zu, da hab ich gesagt, ich mach’s für den gleichen Preis. Und so ham wirs dann gemacht. Problem gelöst.»
«Und das war in der Nähe von Cole Barn?», fragte Merrily.
«Das war so zwanzig Meter davon weg. Zu der Zeit gabs keine Frontmauer an der Scheune, also hab ich dadrin immer mein Bagger abgestellt.»
«Und … ist der Bagger da auch zufällig mal nicht angesprungen?»
«Sie nehmn mirs Wort ausm Mund, Frau Pfarrer.»
«Waren Sie seitdem noch mal dort?»
«Nee, wär auch unwahrscheinlich gewesen. Gerry Murray hat seinen eigenen Bagger, wie wir ja verdammt genau wissen.»
«Das ist ein wunder Punkt», sagte James. «Murray wurde angeheuert, um vor der archäologischen Grabung die Grasnarbe abzunehmen. Das hat anscheinend Pierce eingefädelt.»
«Korrupte Saubande», sagte Gomer.
Der Gemischtwarenladen hatte gerade erst aufgemacht. Es war niemand da.
Abgesehen von Shirley West hinter der Theke.
Und zwar vorne im Laden, nicht hinten in der Poststelle, wo vor der Glasscheibe immer noch die Jalousien heruntergelassen waren.
Merrily sah in die rauchblauen Augen unter den Locken und brachte ein Lächeln zustande.
«Guten Morgen, Shirley. Ist Jim nicht da?»
«Der ist frühstücken», sagte Shirley. «Der arme Mann hat den Laden die halbe Nacht offen gehalten. Was wollen Sie?»
Charmant wie immer.
«Was ist heute mit der Poststelle, Shirley?»
«Vielleicht mache ich gar nicht auf. Geht ja sowieso keine Post rein oder raus. Ich warte auf Anweisungen aus der Zentrale.»
«Die Lage ist ziemlich schwierig.»
«Ja.»
«Ich vermute, so ein Problem hatte die Post hier noch nie.»
«Nein.»
«Und das alles ist anscheinend meine Schuld», sagte Merrily.
Schließlich passte dieser Moment für ein Gespräch ebenso gut wie jeder andere.
47 Signalfeuer
Shirley trug ein übergroßes Jeanshemd mit Epauletten, keinen Schmuck und kein Make-up.
Merrily stand vor dem Tresen, klein aber entschlossen.
«Können wir uns kurz unterhalten, Shirley?»
Shirley hatte die Hände unter der Brust gefaltet und sah Merrily unter halbgeschlossenen Augenlidern hervor an. Ihre Abscheu vor parfümierter Seife führte dazu, dass sie irgendwie nach Krankenhausputzmitteln roch.
«Die Leute fragen mich nämlich dauernd: ‹Warum besucht Mrs. West bei uns
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