Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition)
nicht gewesen wären, hätte man Jumbos blauen Land Rover für ein Panzerfahrzeug in den Ruinen von Bagdad halten können.
Jumbo Humphries lehnte sich aus dem Fahrerfenster und bot Bliss einen Schluck aus einer kleinen Whiskeyflasche an. Bliss schüttelte den Kopf, ging um das Auto herum und stieg auf der Beifahrerseite ein.
«Jumbo», sagte er, «fahren Sie diese Karre anderswohin, okay? Wenn ich Bulle wäre und im Plascarreg einen Land Rover sehen würde …»
Wenn ich Bulle wäre?
Meine Güte, war es schon so weit gekommen?
Der Laderaum des Land Rovers sah aus wie eine Zelle. An einer Längsseite befand sich eine Sitzbank, es gab kein Fenster. Auf der Bank saß Jason Mebus neben Andy Mumford.
«Sind Sie mit Überlegen fertig, Boss?»
Ohne seine Genugtuung verbergen zu können, sah Mumford Jason Mebus beinahe zärtlich an. Jason starrte auf seine Hände hinunter, als trüge er schon Handschellen, und schaute nicht auf, als Jumbo Humphries den Wagen auf die Rückseite der Sozialbausiedlung und zu einem Feld fuhr.
«Ist es hier in Ordnung für Sie, Mr. B.?»
«Es ist sicherer», sagte Bliss. Er verschränkte die Hände hinter dem Kopf und ließ sich nachdenklich auf dem Sitz zurücksinken.
Jeder Polizist mit ein bisschen Verstand würde jetzt sein Handy herausholen, Verstärkung rufen, sich zurückhalten und hoffen, dass er damit seine Karriere rettete.
Es gab zwei mögliche Gründe für das, was Andy getan hatte. Erstens: Begeisterung für den Fall, weil er nach seiner Entlassung aus dem Polizeidienst noch zu jung war, um glauben zu können, dass die aufregendste Phase seines Lebens schon hinter ihm lag.
Zweitens: Charlie Howe.
Es war gut vorstellbar, dass Mumford immer noch von seinem Gewissen geplagt wurde, weil er Charlie bei diesem Todesfall damals geholfen hatte, Spuren zu verwischen, und sich nun wünschte, dass Charlie eines Tages für irgendetwas drangekriegt würde.
Bliss drehte sich um und sah Jason Mebus an. Er war beinahe noch ein Kind. Ein Jugendlicher mit eiskaltem Blick, der schon jahrelang Erfahrungen als Krimineller gesammelt hatte. Seine Oberlippe war auf der einen Seite geschwollen.
«Ich denke», sagte Bliss, «du solltest mir jetzt einen Namen nennen, Jason. Oder um genau zu sein,
den
Namen.»
«Ich kenne seinen Namen nicht mal.»
«Das glauben wir aber doch», sagte Mumford.
Mebus zuckte leicht zusammen.
«Was ist mit seinem Mund passiert, Andy?»
«Er wollte nicht reden.»
Bliss seufzte. Kein Papierkram, keine Regeln.
Und ein unheimlich guter Spürsinn.
Es hatte alles mit der Vergangenheit zu tun. Und mit Angst.
Mumford hätte nichts aus Jason herausholen können, wenn er noch im Polizeidienst gewesen und diese Tragödie mit Mumfords Neffen nicht passiert wäre. Jason Mebus wusste zu viel über den tragischen Tod Robbie Walshs. Und deshalb hatte Mebus vor Mumford mehr Angst, als er vor irgendeinem Polizisten gehabt hätte.
Mumford sah Jason mit grübelndem Blick an.
Wie sich herausstellte, hatte sich Jason schon vorher ziemlich unbehaglich gefühlt. Was er für einen einfachen Job als Drogenkurier hielt, hatte sich in die Beteiligung an dem aufsehenerregendsten Verbrechen verwandelt, das es in dieser Stadt je gegeben hatte.
«Der war von Anfang an total nervös», flüsterte Mumford Bliss zu. «Ich habe mit ihm über Kokain geredet, und er hat sich die ganze Zeit umgesehen und gefragt, wo Jumbo ist.»
Mumford war ein guter Ermittler. Auch Bliss war bei dem Anblick der maroden Sozialbauten klar, dass Gyles Banks-Jones niemals allein hierhergekommen wäre.
Es musste noch jemanden geben. Einen Mittelsmann.
«Reden Sie weiter, Andy.»
«Also hab ich Sachen gesagt wie: ‹Hast wohl ein bisschen hoch gepokert, was, Junge?› Und dann hab ich ihn mit Namen konfrontiert.»
«Mit welchen Namen?»
«Denen, die Sie mir genannt hatten. Gyles Banks-Jones, Steve Furneaux, Charlie Howe. Und bei dem hat unser Jason den ersten Versuch gemacht, aus dem Wagen abzuhauen.»
Und sich dabei anscheinend am Mund verletzt. Und an anderen Körperstellen, die man nicht sah, vermutete Bliss.
Langsam wurde ihm mulmig. Die Informationen mussten absolut hieb- und stichfest sein, wenn er damit weiterarbeiten wollte, denn Mumford hatte Mebus höchstwahrscheinlich versprochen, dass nichts davon in die offiziellen Ermittlungsakten kommen würde.
«Ich hab ihn nicht umgebracht», sagte Mebus. «Das können Sie mir glauben, Mann. Warum hätt ich das machen sollen? Ich kannte den doch nicht
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