Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition)
lehnte sich auf seinem ungemütlichen Metallstuhl zurück, «… und wieder mal ist eine glückliche Familie am Ende.»
Merrily sagte nichts.
«Aber was Howe angeht», sagte Bliss, «hatten Sie natürlich recht. Sie würde mich auch nur allzu gern rauskicken. War nicht besonders glücklich darüber, dass sie nicht augenblicklich informiert wurde.»
«Und warum wurde sie nicht informiert?»
«Weil irgendwer gesagt hat, hör mal, lassen wir sie in Ruhe, schließlich ist bald
Weihnachten
…»
«Frannie.»
Kein Mensch konnte behaupten, dass sich Bliss sein Grab von anderen Leuten schaufeln ließ. «Unter normalen Umständen wäre ich die Nummer zwei bei diesem Fall, aber sie hat sich jemand anderen aus Worcester mitgebracht. Dr. DI Brent, einen beschissenen Typ mit Doktortitel! Was ist eigentlich los, Merrily? Und jetzt hocken all diese hochgebildeten, karrieregeilen Polizeibeamten zusammen in der Schule.»
«Meinen Sie die Einsatzzentrale?»
«Haben sich in der Schule nebenan eingerichtet und die Kids nach Hause geschickt. Howe spielt die Direktorin, Brent ist ihr Stellvertreter. Wenigstens haben sie Kevin Snape als Sekretär.»
«Was soll denn das nun wieder bedeuten?»
«Er macht den Büromanager. Das ist der Typ, der für die Organisation zuständig ist. Kevin ist okay, also erfahre ich noch, was vorgeht.» Bliss trank einen weiteren Schluck Kaffee. «Annies Gesicht hätte ich zu gern gesehen, als sie Sophie und Sie in Aylings Hinterzimmer entdeckt hat.»
«Das hat sie nicht. Annie Howe weiß nicht, dass wir auch nur in die Nähe von Aylings Haus gekommen sind.»
Merrily berichtete von ihrem Besuch. Allerdings in der zensierten Version, in der sie Sophies Rolle herunterspielte. Außerdem erzählte sie das wenige, was sie an der Tür belauscht hatte.
«Sie hat die Dad-Karte gespielt, Frannie.»
«Charlie Howe?»
«Mmm.»
«Der verdammte Charlie Howe. Zu seiner Zeit ganz oben bei der Polizei von West-Mercia. Spaziert in seiner Eigenschaft als Mitglied der Polizeibehörde immer noch bei uns in der Goal Street herum. Macht einen auf Kumpel.
Überlass das ruhig mir, ich stehe auf deiner Seite
, und so weiter. Steckt überall seine Nase rein. Der korrupte alte Kerl.»
Merrily schwieg. Ex-Chief Superintendent Charlie Howe. Hatte er vor vielen Jahren wirklich dabei geholfen, einen Mord zu vertuschen? Das war nie bewiesen worden und würde auch nie bewiesen werden, und inzwischen war Charlie der allseits beliebte, verdiente Bezirksrat mit einer fehlerlosen Tochter, die eine sagenhafte Karriere bei der Polizei hinlegte.
«Zählt das eigentlich noch viel hier, was meinen Sie?», sagte Bliss. «Die Abstammung, meine ich. Die Wurzeln. Gestern habe ich mit Kirsty und den Kindern mitten in der Stadt gestanden und mich gefragt: Was tue ich hier überhaupt? Ich passe nicht hierher. Aber dann … kam es mir so vor, als wäre ich doch hier verwurzelt und könnte sehen, was unter Charlie und seinen Freunden aus Hereford wird. Ich weiß noch genau, wie das in Liverpool gelaufen ist.»
«Es ist immer noch ganz okay hier, Frannie. Und Sie haben schließlich hier auch Ihre Erfolge. Mehr als Annie Howe.»
«Jaja, aber wer von uns ist der beschissene Superintendent? Sagen Sie, möchten Sie etwas essen? Einen Doughnut mit Marmelade?»
«Ja.» Merrily stand auf. «Ich hole welche.»
Am Tresen atmete sie mit geschlossenen Augen tief aus. Weihnachten. Die schöne, lebensbejahende Festzeit. Und den Menschen ein Wohlgefallen.
Während er seinen Doughnut aß, erzählte Bliss, dass er Helen Ayling vermutlich vormittags zum Verhör mitgenommen hätte, wenn Howe nicht dazwischengekommen wäre.
«Die Frau ist mir ein bisschen zu still. Weint auch nicht.»
«Sie war früher Sekretärin. Da lernt man Diskretion. Und vermutlich war es nicht gerade eine Liebesehe.»
«Das war Ihr Eindruck?»
«Frannie, ich bin nur Pfarrerin.»
Bliss verzog die Nase. Wie fast alle aus Merseyside war er römisch-katholisch. Seine Vorstellung von richtigen Pfarrern schloss keine Anglikaner ein und Frauen erst recht nicht.
«Er war ein
altmodischer Mann
, Merrily. Das hat sie über ihn gesagt. Na ja, das wussten wir schon. Altmodisch im Sinn von engstirnig, stur, bigott … Und die Ehefrau wird als Besitz betrachtet, wie ein Auto, am besten eins, das im Unterhalt nicht viel kostet und kein zu lautes Motorgeräusch hat.»
«Kann sein.»
«Also … Denken Sie mal darüber nach. Auf einmal landet Helen Ayling in einer fremden Stadt. Sie ist einsam,
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