Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition)
verheiratet.»
«Seine erste Frau ist gestorben. Er hat zwei erwachsene Kinder, die führen inzwischen ihr eigenes Leben.»
«Und wie viel wird Helen …»
«Erben? Ich weiß nicht. Wenn sie das Haus bekommt, wird sie es verkaufen. Es ist zum Wohnen völlig ungeeignet, nur ein Symbol für Clements Status. Er hat es in den 1970 ern gekauft, als seine Geschäfte gut liefen.»
«Was hat er denn für Geschäfte gemacht?»
«Er hat mit Elektrogeräten gehandelt, hatte eine kleine Discountkette mit Elektroartikeln. Solche Läden waren damals ziemlich lukrativ. Aber sie wurden geschlossen, bevor Sie hierherkamen, glaube ich. Seine Töchter hatten kein Interesse daran, sie fortzuführen.»
«Also glauben Sie nicht, dass Helen in Hereford bleibt.»
«Ich denke, sie wird wegziehen, sobald er beerdigt ist.» Sophie setzte sich zu Merrily an den Tisch. «Sie hatte ihren Traum ziemlich schnell ausgeträumt. Ein naiver Traum. Ich weiß nicht, was er ihr versprochen hat, aber sie hatte die Vorstellung von einem mondänen, kultivierten Leben im Kathedralbezirk. Gepflegte Dinnerpartys, Empfänge, Theaterabende. Aber das hier ist einfach … eine mittlere Kleinstadt mit einer Kathedrale.»
Sophie sah zu der fleckigen Decke hinauf und rümpfte die Nase. «Immer, wenn sie im Haus etwas verändern wollte, hat er es untersagt.
Was stimmt denn nicht damit?
, hat er sie immer gefragt, und ich glaube, er wusste es wirklich nicht. Er war ein Selfmademan, wissen Sie, sein Vater war Arbeiter. Mrs. Thatcher … haben Sie das Foto gesehen?»
«Mmm.»
«Sie war sein Idol. Die Tochter eines Einzelhändlers. Spare in der Zeit, dann hast du in der Not. Er war begeistert, als sie uns riet, Konservenvorräte anzulegen. Da ist er gleich in den Supermarkt gegangen und mit neun Dosen Rindergulasch wiedergekommen. Er fand auch – wie Mrs. T. –, dass das Schlimmste, was im zwanzigsten Jahrhundert passiert ist, die Ereignisse der 1960 er Jahre waren.»
«Und all das hat Helen nicht mitbekommen, bevor sie ihn geheiratet hat?»
«Er war … das habe ich von vielen gehört … ein ganz anderer Mann, wenn er auswärts war. Dynamisch und energiegeladen war er immer, aber außerhalb von Hereford wurde er richtig … kommunikativ. Großzügig, charmant. Als würde er sich in der Rolle eines Botschafters sehen. Helen hat in einer besonders verletzlichen Phase ausschließlich diese Seite von ihm kennengelernt.»
Sophie stand auf, um festzustellen, ob die Polizei noch da war.
«Sie war damals in einer schwierigen Lebenssituation. Sie wohnte noch zu Hause und kümmerte sich um ihren pflegebedürftigen Vater. Und als er starb, hinterließ er eine Lücke in ihrem Dasein, die sie nicht füllen konnte. Clement Ayling war dann derjenige, der diese Leere sehr gut ausfüllte.» Sophie kam zurück an den Tisch und setzte sich. «Ich glaube, ihre Zuneigung hat kaum die Hochzeit überlebt. Nach nicht mal zwei Jahren stand sie kurz vorm Selbstmord. Aber sie wollte ihn nicht verlassen, verstehen Sie … sie konnte es nicht. Wie man sich bettet, so liegt man.»
«Und dieser Streit, den sie hatten … was glauben Sie, worum es dabei ging?»
«Das wird sie jetzt bestimmt keinem Menschen mehr erzählen, Merrily. Um ehrlich zu sein, hatte ich gedacht, wenn sie streiten, wäre das eigentlich fast ein gutes Zeichen. Die meiste Zeit haben sie nämlich gar nicht mehr miteinander gesprochen. Helen hat gesagt, das Rathaus wäre praktisch zu seinem einzigen Lebensinhalt geworden. Ich würde weiter gehen: Seit er sein Unternehmen aufgegeben hat, war das Rathaus sein
einziger
Lebensinhalt.»
«Also…» Sie würde es aussprechen müssen. «Glauben Sie, dass Frannie Bliss denkt, Helen könnte etwas mit dem Tod ihres Mannes zu tun haben?»
Sophie starrte die geschlossene Tür an, die Hände um die kleine braune Teekanne gelegt. Eine Teekanne für zwei Tassen. Eine Spare-in-der-Zeit-dann-hast-du-in-der-Not-Teekanne.
Merrily sagte: «Bin ich deshalb hier? Um eine zweite Meinung abzugeben?»
«Angesichts…» Unruhe flackerte in Sophies Blick auf. «Angesichts der Umstände seines Todes scheint das kaum vorstellbar.»
«Wir kennen die Umstände seines Todes gar nicht. Nur was ihm vermutlich danach angetan wurde. Sein ganzer Körper könnte in … transportable Stücke zerlegt worden sein.»
Sophie erstarrte.
«Nein, hören Sie», sagte Merrily. «Bliss hat sie routinemäßig befragt. Wenn es einen Mord gibt, ist der Erste, der als Täter ausgeschlossen werden muss, der
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