Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition)
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Auf weißem Hintergrund und in normaler Schrift folgten einige Erklärungen der Prophezeiung für die Besucher der Herrdeslichts-Seite: Vegetarier zum Beispiel lehnten das Vieh ab, das Gott den Menschen gegeben hatte, damit sie es zähmten und schlachteten. «Das ist ja mal interessant», sagte Merrily. «So habe ich es noch nie gesehen, aber es erklärt Shirleys Interesse daran, wie wenig Fleisch ich kaufe.» Und zur gleichen Zeit warb die Ökobewegung mit ihrem Erdmutter-Kult für die Ablehnung der göttlichen Gesetze, indem sie Homosexualität und New-Age-Riten akzeptierte.
«Und Meditation ist sicher auch Teufelszeug, oder?»
Sie scrollten sich auf dem Bildschirm durch die Quelle der doktrinären Überzeugungen Shirley Wests.
Dann kam die rote Silhouette eines nackten Mannes.
Es wurde vorhergesagt, dass kurz vor der Endzeit der Satan leibhaftig wird. Er wird weder Hörner noch einen Schwanz haben. Seine wahre Identität wird zuerst nicht erkennbar sein. Er wird sogar selbst zuerst nicht wissen, wer er ist. Er wird glauben, dass sein Auftrag in der Aufklärung besteht. Er wird zeigen, dass sich alles wissenschaftlich erklären lässt. Er wird ein Held sein, als Genie gefeiert werden.
«Und wer soll das sein?», fragte Lol. «Stephen Hawking?»
«Kannst du dir wirklich vorstellen, dass der Antichrist in einem Schwerbehinderten Menschengestalt annimmt?»
«Ich mir nicht, aber
die
womöglich schon. Schwarzer Humor ist doch ein entscheidender Erfolgsfaktor für den Fürsten der Finsternis. Sagen wir: Im Zweifel für den Angeklagten. Wie wäre es mit Richard Dawkins? Der hat sich doch mit seinem Buch
Der Gotteswahn
sehr für diesen Posten empfohlen.»
«Dem fehlt das Charisma.»
Der Antichrist wird Wunder wirken, aber er wird darauf beharren, dass sie nicht übernatürlichen Ursprungs sind.
«Jetzt weiß ich’s. Sie meinen Derren Brown. Das ist der mit der Zaubershow, weißt du?»
«Du amüsierst dich hier so richtig, oder?»
Sie legte erschöpft den Kopf auf den Arm und fragte: «Lol, was machen wir hier eigentlich?»
«Wir erkunden die psychologische Motivation von Shirley West. Das lohnt sich.»
Die New-Labour-Regierung, die in England 1997 gewählt wurde, ist überwiegend ein Produkt von Meinungsmache und Medienmanipulation. Niemand schien sich für die Politik dieser Leute zu interessieren, alle reagierten nur auf ihr Image, das sie als dynamische Saubermänner auswies, als Gegner der bisherigen Regierung, und auf das Versprechen, ‹dass es mit uns nur besser werden kann›. Auch der Antichrist hat seine Imageberater. Übereinstimmend mit den Prophezeiungen zu den Letzten Tagen sind diese Männer schon mitten unter uns. Und einer von ihnen ist der Autor eines Buches, das Gott unverhohlen verspottet. Zweifler mögen die Buchstaben zählen, aus denen sich jeder seiner Namen zusammensetzt.
MATHEW ELLIOT STOOKE
Merrily setzte sich langsam auf.
In diesem Zusammenhang sollte man sich fragen, warum er wohl das zweite T von Matthew hat wegfallen lassen, wenn nicht weil er seiner Bestimmung folgen will.
Lol sagte. «Das ist
schon
ein bisschen merkwürdig, oder?»
«Das ist
Quatsch
.»
Merrily schaltete den Laptop ab. Sie stand auf und sah zum Fenster hinaus. Hinter ihr schabte Lols Stuhl über den Boden.
«Merrily, das ist doch nur eine Webseite.»
«Ich frage mich, ob er darüber Bescheid weiß.»
«Natürlich weiß er das», sagte Lol sanft. «Auf Google findest du mindestens fünf Seiten mit Links zu diesem Mist. Und er hat Drohungen erhalten, oder? Deshalb ist er ja hierhergekommen.»
«Und ich frage mich, ob
sie
davon weiß.»
«Shirley?»
«Ob sie weiß, dass er hier ist. Oder wenigstens den Verdacht hat, er könnte in der Nähe sein.»
«Woher sollte sie das wissen?» Lol legte Merrily die Hände auf die Schultern. «Wir wissen doch nicht mal, ob es eine Verbindung zwischen der Webseite und Shirleys Kirchengemeinde gibt. Und sie wird aus der Tatsache, dass du das Buch gekauft hast, wohl kaum geschlossen haben …»
«Wenn ich es nicht gekauft hätte, dann hätte Amanda Rubens keinen Nachschub bestellt, um ihn ins Schaufenster zu legen.»
«Vielleicht hat sie ja geglaubt, du würdest Stooke in deiner nächsten Predigt niedermachen und sie könnte deshalb noch ein paar Exemplare mehr verkaufen.»
«Ich wünschte, ich hätte es gelassen. Und ich wünschte …», Merrily starrte aus dem Fenster auf die Kirche, «… ich wäre ihm nie begegnet.»
«Oh Gott …», Lol zuckte
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