Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
wenige Tage zuvor der Schlag getroffen. Da Hermann sich nicht mehr um Bertrams Ausbildung kümmern konnte, galt es, einen neuen Platz für den Jungen zu finden. An sich hätte das keine Schwierigkeiten bereiten sollen, denn die Hohnsteiner Grafen waren hoch angesehen. Doch es gab einen Pferdefuß …
»Mein Bruder ist ein junger Mann von wachem Verstand, der dir gefallen wird«, hatte Johann erklärt. »Leider ist er kein so begnadeter Kämpfer wie die meisten Jünglinge seines Alters, was ihm schon einigen Spott eingetragen hat. Bertrams Fähigkeiten liegen auf anderem Gebiet. Du bist ein Mann der Wissenschaft, Philip. Du weißt den Geist eines Menschen zu schätzen, aber du bist auch der einzige Ritter, der Ulf von Regenstein jemals im Turnier geschlagen hat.«
»Und deshalb willst du, dass ich deinen Bruder in meine Dienste nehme?«
»Du würdest mir damit eine große Gefälligkeit erweisen«, bestätigte Johann. »Zumal die Regensteiner dann nicht länger den Ruf unseres Hauses beschmutzen könnten, da jeder junge Mann froh wäre, von dir erwählt zu werden. Von jenem Mann, der Ulf von Regenstein schon einmal in den Staub gestoßen hat.«
Die Erwähnung der Regensteiner hatte letztlich den Ausschlag gegeben. Mehr noch als die Freundschaft zu Johann. Philip verachtete die Regensteiner, die seiner Familie schon so oft geschadet hatten. So war Bertram in Philips Dienste getreten, und trotz anfänglicher Vorbehalte hatte Philip bald Gefallen an dem Jungen gefunden, denn er hatte denselben Witz wie sein Bruder Johann.
»Es wäre mir lieb, wenn du mit ihm sprechen könntest«, betonte Said noch einmal.
»An diesem Abend?« Philip blickte zum Himmel hinauf. Es war bereits dunkel geworden, aber die Luft war so klar, dass sie die Sterne sahen, und die Positionslichter der beiden Koggen spendeten ausreichend Licht.
»Es genügt, wenn du es morgen tust. Ich sehe doch, wie es dich zu deiner Frau drängt.« Said versetzte seinem Freund einen leichten Schlag auf die Schulter. »Ich wünsche dir eine gute Nacht.«
Am folgenden Morgen wachte Philip auf, als ein heftiger Ruck durch das Schiff ging. Beinahe wäre er aus dem Bett gefallen. Lena rollte gegen ihn, klammerte sich an ihm fest.
»Was ist das?«, rief sie.
»Ich weiß es nicht.« Er sprang auf und zog sich hastig an. Auch Lena griff nach ihren Kleidern, warf ihr Hemd noch halb im Liegen über, denn die Koje war zu eng, als dass beide bei geschlossener Tür stehen konnten. Während Lena ihre Suckenie schnürte, gürtete Philip sein Schwert.
»Du glaubst, es kommt zu einem Kampf?« Lena starrte ihren Gatten erschrocken an. Es war lange her, dass er an Bord des Schiffes seinen Schwertgurt angelegt hatte.
»Es hört sich jedenfalls nicht gut an«, antwortete er. »Aber vielleicht ist es ja harmlos. Ich sehe nach.«
Die Sonne war gerade erst aufgegangen, aber an Bord schlief niemand mehr. Aus dem Laderaum hörte Philip das Wiehern seiner Pferde. Mehrere Seeleute machten sich an den Bliden zu schaffen. Plötzlich begriff er, was der Ruck zu bedeuten gehabt hatte, durch den er geweckt worden war. Das Schiff hatte hart gewendet. Die Windsbraut lag unmittelbar neben dem Lübischen Adler und versuchte ebenso wie dieser, den Kurs zu wechseln. Hinter dem Küstenstreifen steuerte eine riesige Galeere auf die beiden Koggen zu.
Kapitän Godfryds Befehle hallten durch die Luft. Lena war Philip nachgeeilt. »Piraten?«, hauchte sie. Er sah die Furcht in ihren Augen.
»Vermutlich.« Beschützend legte er ihr den Arm um die Schultern. »Wir werden es überstehen.«
Die Unruhe hatte alle Reisegefährten an Deck gelockt. Auch Thea. Mit ihrem Schwert.
»Jetzt wird es also ernst«, sagte die Räuberin.
»Erweist du mir einen Gefallen, Thea?« Philip ließ Lena los.
»Das kommt darauf an.«
»Geh mit Lena unter Deck. Es ist besser, wenn die Piraten euch nicht sofort sehen.«
»Du glaubst also, ich kann nicht kämpfen?«
»Du kämpfst besser als die meisten Männer auf diesem Schiff. Deshalb bitte ich dich, Lena zu beschützen.«
»Ausgerechnet ich soll deine Frau beschützen?«
»Ja. Und du wirst es tun, dessen bin ich mir gewiss.«
Zu seiner eigenen Überraschung nickte Thea ohne weitere Widerworte und begab sich mit Lena unter Deck.
»Bertram, du begleitest sie.«
»Ich bin ein Mann!«
»Deshalb wirst du die Frauen verteidigen, was auch geschehen mag. Ich vertraue dir.«
Philip sah das kurze stolze Aufblitzen in Bertrams Augen, bevor der Junge seinem Befehl
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