Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
gemauert, so massiv, dass sie alle Befestigungen, die sie bislang auf ihrer Reise gesehen hatten, in den Schatten stellte.
»Mir kommt es so vor, als wäre ich bereits im Heiligen Land und dies seien die Tore von Jerusalem«, sagte Lena und lehnte sich an Philip. Er legte ihr den Arm um die Schultern. Zwar war diese Vertraulichkeit in einem arabischen Hafen nicht unbedingt schicklich, aber das war ihm gleich. Man wusste, dass er Christ war, und Lena war seine Frau. Das sollte ruhig jeder wissen und sehen.
»Ist es in Alexandria ähnlich?«, fragte sie weiter.
»Ja. Allerdings ist Alexandria noch viel größer und lauter.«
»Noch lauter?« Lena lächelte ihn ungläubig an, denn das Geschrei der Hafenarbeiter und Händler war schon hier unüberhörbar.
»So ist es. Auch wenn du es kaum glauben magst.«
Die Windsbraut legte am Kai an, während Murad Reïs’ Galeere zunächst die Taue löste, mit denen sie bis dahin den flügellahmen Lübischen Adler gezogen hatte. Den Rest des Weges mussten ihn Ruderboote in den Hafen schleppen.
Zahlreiche Schaulustige, unter ihnen viele zerlumpte Kinder, hatten sich am Hafen versammelt, um die fremden Schiffe zu betrachten. Jungen in hemdartigen weiten Gewändern, barfüßig, die braunen Hände zum Betteln ausgestreckt. Auf einmal fühlte Philip sich zurückversetzt in seine Heimat. Auch in den Gassen Alexandrias hatte er solche Kinder gesehen. Man musste sich vor ihnen hüten, denn gab man einem etwas, hatte man eine ganze Horde auf den Fersen und manchmal sogar eine schmutzige kleine Hand im Geldbeutel, die sich selbst bedienen wollte. Dennoch erfüllte ihn der Anblick des Hafens von Marbilha mit seltsamer Zufriedenheit. Beinahe so, als wäre er nach Hause zurückgekehrt.
7. Kapitel
W ie wird es nun weitergehen?«, fragte Lena, nachdem die Windsbraut im Hafen festgemacht hatte.
»Das wird uns Ahmad ben Umar gewiss gleich mitteilen.« Philip wies auf die Galeere, die gerade neben ihnen anlegte.
Beeindruckt betrachtete Lena, wie alle Ruder der Galeere gleichzeitig eingezogen wurden, so als würde ein Vogel seine Flügel zusammenlegen. In den letzten Stunden war sie zwischen Hölle und Himmel gewandelt, zwischen Todesangst und Hoffnung. Und nun blickte sie auf eine fremde Stadt, die sie an die Altarbilder in Sankt Michaelis und im Dom zu Halberstadt erinnerte. Sogar Palmen wuchsen hier.
»Thea, tust du mir einen Gefallen?«, hörte sie Philip fragen.
»Noch einen? Das wird wohl langsam zur Gewohnheit.« Thea verzog das Gesicht. »Soll ich wieder jemanden beschützen?«
»Ja, dich selbst. Würdest du dein Haar bedecken? Nur solange wir hier sind?«
Die Räuberin schnaubte verächtlich. »Bist du noch ganz bei Trost?«
»Mit diesem Auftreten hält man dich für eine Hure. Es ist mir wichtig, dass du mit Hochachtung behandelt wirst.«
»Weil du mich als deine Schwester ausgibst?«
»Nein, weil ich nicht möchte, dass dir etwas geschieht.«
»Wie edel.«
»Tust du mir den Gefallen?«
»Soll ich mir vielleicht ein Laken um den Kopf wickeln?«
»Ich gebe dir eine Haube von mir«, bot Lena an. »Komm, such dir eine aus!«
Sie ging in den Laderaum voraus, wo sie einen großen Teil ihrer Habe aufbewahrte. Thea folgte erstaunlich willig.
Lena schnürte eines der Bündel auf, in dem ihre Kleider verstaut waren.
»Wie wäre es mit dieser?« Sie zog eine hellblaue Haube hervor, die mit einem goldenen Netz verziert war. »Du könntest auch das dazugehörige Kleid bekommen.« Sie reichte Thea die Kopfbedeckung und suchte dann die passende Suckenie heraus.
Die Blicke der beiden Frauen trafen sich, und Lena hatte den Eindruck, dass Theas Seelenflamme ins Flackern geriet.
»Magst du es anprobieren?«
Die Räuberin senkte die Lider. Einen Moment lang befürchtete Lena, Thea werde die Haube einfach zu Boden fallen lassen. Doch dann hob die Räuberin den Blick, und das kräftige Strahlen ihrer Seelenflamme war zurückgekehrt.
»Warum nicht?«, sagte sie. »Wenn Philip dich gern darin sieht, weshalb sollte ich ihm nicht gefallen?«
»Weil du ab jetzt seine Schwester bist.«
»Welch ein Pech, dass ich eine so böszüngige Schwägerin habe!«
»Ja, nicht wahr?« Lena lachte, und zu ihrer Erleichterung stimmte Thea in ihr Gelächter mit ein.
Bertram fielen schier die Augen aus dem Kopf, als er Thea in Lenas hellblauem Gewand mit der vornehmen Haube sah. Aber auch Philip kniff die Augen zusammen, als traue er seiner Wahrnehmung nicht.
»Jetzt siehst du wahrlich
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