Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
weiter darüber sprechen.
Ihr Ziel lag innerhalb der mächtigen Stadtmauern. Begeistert nahm Lena alle Bilder in sich auf, die sich ihr darboten. Menschen in langen Gewändern, weitaus auffälliger noch als Said in seiner Kleidung. Manche Frauen hatten ihr Gesicht verschleiert, vor allem jene, die in kostbare Stoffe gehüllt waren. Die ärmeren begnügten sich damit, ihr Haar zu bedecken, und gemahnten Lena mit ihren Tüchern an Darstellungen der heiligen Jungfrau. Sie begriff, warum Philip darauf bestanden hatte, dass Thea eine Haube trug. Keine Frau zeigte ihr Haar, ganz gleich, ob junges Mädchen oder reife Matrone.
Die Häuser, an denen sie vorbeikamen, waren überwiegend aus hellem Stein gemauert, aber es gab auch solche, die nur aus Holz und Lehm zu bestehen schienen. Die vornehmen großen Gebäude waren mit seltsamen Holzfenstern ausgestattet, in die vielfältige Muster und Ornamente gesägt waren, die das Licht einließen, aber von außen keinen Blick ins Innere gewährten. Dennoch hatte Lena immer wieder den Eindruck, einen Schatten zu erkennen, ein neugieriges Augenpaar zu erahnen, welches das Treiben in den Gassen beobachtete.
Am meisten wunderte sie sich über die zahlreichen verkrüppelten Bettler, die im Straßenstaub hockten und um Almosen flehten. Auch aus ihrer Heimat waren ihr derartige Anblicke vertraut, doch nicht in dieser Häufung. Ob es wohl daran lag, dass es in diesem Land keine christlichen Klöster und Spitäler gab, in denen sich fromme Männer und Frauen der Ärmsten annahmen?
Der Hamam lag ganz in der Nähe von Murad Reïs’ Haus. Philip warf einen letzten Blick in die Sänfte, ehe sich ihre Wege trennten.
»Die Diener werden euch in Murad Reïs’ Frauengemächer bringen, sobald ihr euer Bad beendet habt. Es ist üblich, dass Männer und Frauen getrennt speisen.«
»Unternehmen in diesem Land Männer und Frauen eigentlich irgendetwas Gemeinsames?«, fragte Thea missmutig.
Philip grinste und schwieg.
Der Hamam war die seltsamste Einrichtung, die Lena jemals betreten hatte. Gleich neben dem Eingang wurden sie von einem jungen Mädchen empfangen und in einen Raum geführt, in dem sie sich ihrer Gewandung entledigen konnten. Auf den hölzernen Bänken häuften sich bereits mehrere Kleidungsstücke. Das Mädchen wies ihnen eine eigene Bank zu. Dann erhielten sie ein blaues Seidentuch, mit dem sie ihre Nacktheit bedecken konnten. Zudem gab man ihnen hohe hölzerne Pantinen. Lena fragte, welchen Nutzen sie hätten, doch die Antwort wurde in so raschen Worten erteilt, dass sie nur heißer Boden verstand.
Das Mädchen führte sie in den eigentlichen Baderaum. Feuchtwarme Luft strömte ihnen entgegen, sie hörten Gelächter und so schnell hervorgestoßene Wortfetzen, dass sie deren Sinn nicht verstehen konnten. Vergeblich suchte Lena nach Wannen oder Zubern. Sie entdeckte nur eine zwei Fuß hohe Erhebung in der Mitte des Raumes, die ebenso wie der Boden aus weißem Marmor bestand. Drei Frauen rekelten sich darauf und tuschelten. Ihnen gehörte die Kleidung, die im Vorraum auf den Bänken abgelegt worden war. Ringsum waren mehrere kleine Nischen mit Steinsitzen in die Wände eingelassen, neben denen Krüge mit Wasser standen. Das Mädchen wies die Besucherinnen an, sich auf dem Podest in der Mitte niederzulassen. Die drei Frauen, die dort schon lagen, verstummten und musterten die beiden Neuankömmlinge neugierig.
»Masâ al-chair«, grüßte Lena sie.
»Masâ an-nûr«, antworteten die Frauen und kicherten.
Thea würdigte sie keines Blickes. Ihre Aufmerksamkeit galt dem Stein, auf dem sie sich niedergelassen hatten.
»Er ist ganz warm«, stellte sie überrascht fest und strich sich eine rote Haarsträhne aus dem Gesicht.
Noch während sie sich auf dem Stein ausstreckten und die Wärme genossen, erschienen zwei weitere Mädchen. Sie waren so dunkelhäutig wie die Sänftenträger und hatten ihr langes Haar zu unzähligen dünnen Zöpfen geflochten. Die schwarzen Mädchen trugen lediglich blaue Tücher um die Hüften. Überhaupt wunderte Lena sich, wie selbstverständlich diese Frauen, die sich außerhalb des Hauses so streng verhüllten, hier ihre Nacktheit zeigten.
Mehr durch Zeichen als durch Worte forderten die Mädchen Lena und Thea auf, sich auf den Bauch zu drehen.
»Seltsame Sitten.« Thea schüttelte den Kopf. »Ein Badehaus ohne Zuber.«
Lena spürte, wie das Mädchen das blaue Tuch löste, in das sie sich gehüllt hatte. Dann rieb die Schwarze Lenas Körper, streckte und
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