Sündenzeit
begrüßte ihn Cal. „Hast du die Zeitung schon gelesen?“
„Nein. Sean hat sie gerade gehabt, als wir losgingen.“
„Sie ziehen die ganzen Blaubeerkonserven ein“, sagte Cal grimmig. „Da stand ein ganzer Artikel. Sie nehmen an, dass es irgendein ausgerasteter Psycho war, vielleicht ein ehemaliger Angestellter.“
„Ich bin froh, dass sie die Sache gleich verfolgt haben“, bemerkte Marni. „Sie können dafür sorgen, dass nicht noch jemand mit einem Mundvoll Scherben dasteht.“
„Geht es Ihnen denn auch wirklich gut?“, erkundigte sich Caer besorgt.
„Ja, alles in Ordnung, wirklich“, beruhigte Marni sie.
„Wir hätten Anzeige erstatten können“, sagte Cal empört.
„Und was hätte das gebracht? In diesem Land werden schon genug Prozesse geführt“, sagte Marni bestimmt und schüttelte den Kopf. „Es ist ja alles wieder gut.“ Dann senkte sie die Stimme, obwohl niemand anders im Büro war. „Es war echt eine Erleichterung, zu hören, dass es ein Fremder war und keiner aus dem Haus. Ihr wisst schon, was ich meine. Es war einfach schrecklich, wie Amanda auf die arme Clara losgegangen ist. Dazu noch Kat, die sich so sicher ist, dass Amanda es auf Sean abgesehen hat.“ Marnis Stimme wurde noch leiser. „Aber wer kann ihr das schon verdenken? Seien wir doch ehrlich, wir können dieses Flittchen doch alle nicht leiden.“
„Sean liebt sie“, rief Cal seiner Frau in Erinnerung. „Und wer weiß? Vielleicht liebt sie ihn ja auch. Wer sind wir denn, um uns ein Urteil darüber anzumaßen? Ganz zu schweigen davon, dass es eine ganz schöne Beleidigung für Sean ist, wenn man denkt, Amanda könnte unmöglich was für ihn empfinden. Hab ich nicht recht?“
„Natürlich hast du recht.“ Marni warf ihrem Mann einen liebevollen Blick zu. „Es ist einfach so, dass sie ungefähr im selben Alter ist wie ich, und für mich ist Sean eher wie eine Vaterfigur.“
„Also gut, ich werde Caer jetzt noch ein bisschen mehr von der Gegend zeigen“, unterbrach Zach das Gespräch. „Wir sehen uns dann später.“
„Ist denn was los am Kai?“, wollte Marni wissen. „Wenn nichts zu tun ist, brauche ich Bewegung.“
„Es laufen ein paar Leute herum, die sich umsehen“, erwiderte Zach, obwohl das eine Lüge war. Er wollte vermeiden, dass Cal oder Marni ebenfalls rausfuhren. Jedenfalls nicht, solange er mit Caer noch nicht weit gekommen war.
Cal begleitete sie zur Tür, Marni folgte ihnen. Zach wurde langsam ungeduldig und wollte aufbrechen, aber Cal öffnete ihm die Tür und ging voraus. Zach hörte, wie er erschrocken nach Luft schnappte.
„Was ist denn?“, wollte Marni wissen und schob sich an Zach und Caer vorbei nach draußen. Als sie sich neben ihren Mann stellen wollte, schrie sie laut auf.
Es war ein großer schwarzer Vogel. Ein toter Vogel.
Keine Amsel, keine Krähe.
Ein Rabe.
Er lag direkt vor der Tür auf dem Rücken, mit gekrümmten Krallen und weit aufgerissenen trüben Augen.
Cal legte sofort beschützend den Arm um seine Frau und zog sie an sich. „Marni, es ist nur ein Vogel. Ein ziemlich großer, ziemlich toter Vogel.“
„Warum zum Teufel stirbt der denn direkt vor unserer Bürotür?“, rief sie. „Oh Gott, das ist ein böses Omen. Irgendwas Schreckliches wird passieren!“
Zach stellte sich vor die Tür, ohne auf Marni zu achten. „Habt ihr eine Mülltüte? Ich werde das arme Tier aufheben und beiseitelegen. Ihr könnt jemanden anrufen, der es abholt.“
„Wir könnten es auch zu den Fischen werfen“, sagte Cal.
„Das würde ich lieber nicht tun“, warf Caer sofort ein. Alle sahen sie an. „Wenn der Vogel nun an irgendeiner Krankheit gestorben ist. Vielleicht sollte sich das Veterinäramt damit befassen und das Tier verbrennen oder so.“
„Sie ist wirklich eine Krankenschwester“, sagte Marni. „Und das ist ein gutes Argument. Aber schafft das Ding bloß weg hier.“
Sie erschauerte und lief schnell ins Büro, um eine Plastiktüte zu holen. Zach und Cal schoben den Vogel in die Tüte. Cal legte den Beutel dann neben die Mülltonne und versprach, das Veterinäramt anzurufen.
Schließlich winkten Zach und Caer ihm zum Abschied zu und machten sich auf den Weg zur Sea Sprite.
„Auf geht’s“, sagte Zach. Er löste die Haltetaue, nachdem Caer leichtfüßig an Deck gestiegen war, und ging dann selbst an Bord. Während er sich ans Steuer setzte und den Motor anwarf, erklärte er Caer, dass Kombüse und Bad sich unten in der kleinen Kabine
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