Sündhafte Küsse (German Edition)
einer Serviette ab, bevor sie Henry heranwinkte, der neben Wexcomb an der Salontür stand. „Sieh doch mal nach, wo er bleibt.“
Aidan erhob sich so schnell von seinem Platz, dass der Stuhl beinahe umgekippt wäre. „Ich gehe, Mutter. Ich habe heute Abend sowieso keinen rechten Appetit.“ Aidan war froh, endlich einen Grund gefunden zu haben, diese bedrückende Runde zu verlassen. Seine Mutter hatte anscheinend schlechte Laune, weil sie noch kein Motto für ihren Geburtstagsball gefunden hatte, und Mary stocherte nur schweigend in ihrem Essen.
Als er die Stufen nach oben schritt, wo Julians Zimmer lag, nahm Aidan sich vor, sich bei ihm zu entschuldigen. Er hätte ihn im Weinkeller nicht so stehen lassen dürfen.
Auf sein Klopfen bekam er keine Antwort, also trat er einfach ein. Schon als er die Zimmertür öffnete, schlug ihm ein süßlicher Duft entgegen. Julian lag schräg in einem großen Sessel und schien zu schlafen. Aidan konnte seine Silhouette gerade noch ausmachen, denn draußen war es beinahe dunkel. Schnell zündete Aidan die Kerze auf dem Nachttisch an und wandte sich dann wieder an Julian.
Beim Näherkommen sah er die Weinflasche, die vor dem Sessel am Boden stand. Sie war leer. „Meine Güte, Jul, du weißt doch, dass du nichts verträgst!“
Schon war Aidan bei dem Jüngeren, doch dieser rührte sich nicht. Sein Gesicht war fleckig, die Wangen erhitzt.
„Julian!“ Aidan versuchte ihn wachzurütteln, aber Julian lallte nur unzusammenhängende Worte, bevor ihm sein Kopf auf die Schulter fiel.
Aidans schlechtes Gewissen wuchs ins Unendliche. „Du dummer Kerl, hast du dich wegen mir vollaufen lassen?“ Er schob seine Arme unter den jungen Mann und trug ihn ins Bett. „Ich bin das doch nicht wert.“
Aidan zog ihm die Schuhe aus und anschließend die Hose. Er schälte Julian aus seiner Weste, bis er nur noch mit dem Hemd bekleidet auf der Matratze lag.
Vorsorglich holte er den Nachttopf unter dem Bett hervor, falls Julian sich übergeben musste. „Morgen wird es dir verdammt schlecht gehen, Strohkopf.“ Aidan zog ihm die Decke bis zum Kinn hinauf und gab Julian einen Kuss auf die Stirn.
„Ich werde in einem günstigen Augenblick Mutter davon überzeugen, dich wieder nach London zu schicken. Dort suchst du dir eine hübsche Braut aus. Vielleicht ist es dazu noch nicht zu spät ...“
Aidan zog die Vorhänge zu und nahm die Weinflasche an sich. Bevor er aus dem Zimmer ging und die Kerze löschte, sagte er leise: „Ich liebe dich, Strohkopf.“
***
„Kannst du nicht ein gutes Wort bei Aidan einlegen, Mutter?“, fragte Julian, wobei er sich über die Stirn rieb. Seine Kopfschmerzen waren einem dumpfen Pochen gewichen, doch dank Ellens Spezialtee fühlte er sich soweit ganz gut.
Überrascht blickte Lady Cathérine von ihrem Teller auf. Außer zwei Angestellten waren sie bis jetzt die einzigen Personen im Speisezimmer. Aidan und Marianne waren spazieren gegangen, wie Henry ihnen mitgeteilt hatte.
Henry ... Aidan kennt immer noch nicht die Wahrheit! , durchfuhr es Julian, doch seine Gedankengänge wurden sofort von der Neugier seiner Mutter unterbrochen: „In welcher Angelegenheit soll ich bei Aidan ein gutes Wort einlegen?“
„Na ja, ich weiß, dass ich dir in letzter Zeit Kummer bereitet habe.“
Mit einer Handbewegung bedeutete sie Jul, über dieses Thema zu schweigen. Anscheinend hatte sie verstanden, worauf ihr Gespräch hinauslief. Sie steckte sich eine Gabel mit einem saftigen Stück Fleisch in den Mund und forderte Julian dann damit auf weiterzusprechen. Immer wieder warf er dabei einen Blick auf die Tür, denn er wusste nicht, wie lange sie noch allein waren. Es war nicht Aidans Art, sich zu verspäten, doch das kam ihm nun sehr gelegen. Gestern, als Aidan ihn in dem angetrunkenen Zustand gefunden hatte, war er kaum noch Herr über seinen Körper gewesen. Dennoch hatte er gehört, was Aidan zu ihm gesagt hatte, denn er hatte seine Bewusstlosigkeit nur vorgetäuscht. Außerdem hatte Julian bemerkt, dass zwischen ihnen das letzte Wort noch nicht gesprochen war.
„Ich würde gerne auf dem Land bleiben“, fuhr er unschuldig fort und in einem etwas leiseren Ton meinte er: „Hier komme ich sicher nicht auf so verrückte Gedanken wie in London. Ich könnte Aidan behilflich sein, er scheint sehr viel zu tun zu haben. Er setzt sich sehr für die Pächter ein und unterstützt sie, wo er nur kann. Ich denke, von ihm könnte ich viel lernen.“ Ungeduldig wippten seine Füße
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