Sündhafte Küsse (German Edition)
es ihm später, ganz sicher. Langsam beugte er sich nach vorne, um Aidans Nacken zu küssen, aber dieser schlüpfte zur Seite, richtete hastig seine Kleidung und stürzte aus dem Salon, ohne sich noch einmal umzublicken.
Ich muss ihm Zeit geben , dachte Julian, als er mit seinem Taschentuch die verräterischen Spuren vom Tisch wischte. Er hat das ganze Leben lang sein wahres Ich versteckt. Doch ich werde es hervorlocken, das schwöre ich dir, Aidan! Ich gebe uns nicht auf. Niemals.
***
Aidan behielt Henry schon den ganzen Tag im Auge. An Mariannes Nervosität erkannte der Viscount, dass sie anscheinend wieder einen Brief von William erwartete, den Henry für sie abfangen würde. Aidan brauchte einen schwerwiegenden Grund, damit er den Diener seiner Mutter aus dem Haus bekam, und was eignete sich da besser, als ihm einen Vertrauensbruch nachzuweisen? Aber konnte Aidan das seiner Schwester antun? Ihr geheimes Verhältnis zu dem jungen Mann würde unweigerlich auffliegen. Nein, ich kann Marys Vertrauen nicht missbrauchen. Sie kam verzweifelt zu mir.
Er griff nach seiner Teetasse, um über deren Rand seine Familie zu beobachten, die dem süßen Nichtstun frönte. Seine Mutter und Marianne stocherten in ihrer Stickarbeit herum – anscheinend plante Lady Cathérine, was sie auf ihrem großen Fest für ein Kleid tragen sollte –, während Mary immer wieder einen schnellen Blick zum Fenster hinauswarf.
Julian, der in einem großen Sessel saß, schien eingedöst zu sein, denn sein Kopf war nach hinten gegen die Lehne gekippt, und Prince zu seinen Füßen schlief ebenfalls.
Als Henry, der sich immer in Lady Cathérines Nähe aufhielt, plötzlich zur Tür hinausschlich, erhob Aidan sich. „Entschuldigt mich einen Moment.“
„Hmm“, summte seine Mutter, während Marianne bei seinen Worten beinahe aufgesprungen wäre.
Julian murmelte etwas Unverständliches und kuschelte seinen Kopf gegen die Lehne, während sich Prince schwanzwedelnd erhob und die Gelegenheit nutzte, um der langweiligen Gesellschaft zu entkommen. Gemeinsam mit seinem Hund verließ Aidan das Haus. Er sah gerade noch, wie der Diener hinter den Stallungen verschwand. Sofort schlug Aidan denselben Weg ein. „Ich lasse mich nicht länger erpressen, das wird hier und jetzt ein Ende haben“, murmelte er, worauf Prince die Ohren spitzte. „Ich kann diesen Mann keine Sekunde länger unter meinem Dach ertragen.“
Entschlossenen Schrittes bog er um das Gebäude, wo sich der Retriever erst mal erleichterte. Aidan wusste noch nicht, was genau er Henry vorwerfen sollte, um ihn loszuwerden, aber er hoffte, dass ihm im rechten Moment etwas einfiel.
Aus den Augenwinkeln erkannte er plötzlich einen Reiter, der, vom Herrenhaus nicht einsehbar, auf die Rückseite des Stalls zuritt. Das muss Lloyds Bote sein , wusste Aidan und versteckte sich hinter einem Bretterverschlag. Dabei wies er Prince mit einem Fingerzeig an, nicht von seiner Seite zu weichen, damit er ihre Anwesenheit nicht verriet.
Von seinem Versteck aus sah Aidan durch die Holzlatten, wie Henry den rothaarigen Mann zu Pferd heranwinkte. Der Bote trabte herbei und glitt von seinem Tier. Die beiden Männer befanden sich keine zwei Meter von Aidan entfernt. Ihr merkwürdiges Verhalten fiel ihm deshalb sofort auf. Henry flüsterte: „George.“
Das Gesicht des anderen Mannes, der vielleicht in Aidans Alter war, nahm dieselbe Farbe an wie sein Haar. „Hallo Henry.“
Henry griff nach den Zügeln, während George einen Brief aus der Satteltasche holte. Der Diener nahm ihn entgegen und bezahlte ordnungsgemäß, doch als Lloyds Bote nicht ging, sagte Henry leise: „Möchtest du noch etwas, George?“
Der schlanke Mann machte einen Schritt auf Henry zu, bis sie dicht beieinander standen, und küsste ihn flüchtig auf den Mund. Dann nahm er schnell die Zügel an sich und wollte aufsteigen, aber Henry hielt ihn am Arm zurück. „Warte!“
Aidan vergaß zu atmen. Zähneknirschend und mit gemischten Gefühlen beobachtete er, wie sich die Männer zärtlich küssten. Aidans Wut wich Verwirrung. Es wunderte ihn, dass der berechnende Diener zu solchen Emotionen überhaupt imstande war. Sofort kam Aidan in den Sinn, dass er jetzt ein gutes Motiv hatte, ihn loszuwerden. Ich sage Mutter, dass ich ihn mit einem anderen Mann erwischt habe . Lady Cathérine duldete bestimmt keinen Sodomiten in ihrem Haus. Sollte er Mutter die Wahrheit über mich erzählen, würde es ihm niemand glauben. Er ist nur ein
Weitere Kostenlose Bücher