Sündige Gier
»Ich bin im Arbeitszimmer.«
»Er trauert immer noch«, sagte Sharon zu Creighton, sobald Doug im Haus war. »Alles, was ihn an Paul erinnert, geht ihm an die Nieren. Ich werde lieber mit ihm sprechen.« Sie stand ebenfalls vom Tisch auf und folgte ihrem Mann ins Haus.
Creighton reckte sich gähnend, blickte hoch ins Geäst der riesigen Eiche, die den Tisch beschattete, und fragte sich, was er mit dem restlichen Tag anfangen sollte, nachdem er nicht mehr ins Pine View Motel zurückfahren und nach der Patek Philippe seines Onkels suchen musste.
Jetzt, wo alles vorbei war, fühlte er sich irgendwie unausgelastet und fast ein bisschen niedergeschlagen. Es war ein so komplexer Plan gewesen, inspiriert von einem seiner Lieblingsfilme, und er hatte ihn perfekt vollstreckt. Wenn man das kleine Wortspiel verzieh.
Alles hatte an dem Tag begonnen, an dem sein Tenniscoach mit einem anderen Spieler länger trainiert hatte als vereinbart. Anfangs hatte es Creighton geärgert, dass er warten musste, doch bald hatte sich das als glücklicher Zufall erwiesen. Er las sonst kaum je Zeitung. Was er in seiner Phantasie erlebte, war immer interessanter als alle wahren Ereignisse. Echte Dramen verblassten verglichen mit dem, was sein Geist erschuf.
Aber an jenem Tag waren selbst die Übungsplätze im Country Club belegt, und weil er sonst nichts mit sich anzufangen wusste, hatte er zu einer Zeitung gegriffen, die jemand liegen gelassen hatte. Beim Durchblättern war er zufällig auf eine obskure Story über eine junge Frau aus Atlanta gestolpert, die unter Strafandrohung nach Omaha, Nebraska beordert worden war, um dort vor Gericht gegen einen Mann auszusagen, gegen den wegen räuberischer Erpressung ermittelt wurde.
Besonders interessant hatte Creighton dabei gefunden, dass die Staatsanwaltschaft ihre Anklage allein auf der Aussage jener Frau aus Atlanta aufbaute, einer ehemaligen Geliebten des Angeklagten, sowie auf der Aussage der Witwe, die der Mann angeblich erpresst hatte.
Armer Stinker, hatte Creighton gedacht. Ich wette, er wünscht sich, sie wären beide tot.
Er wartete nicht auf seine Tennisstunde.
Stattdessen wechselte er den Porsche gegen den Land Rover, den er aus einer Laune heraus gekauft, aber bis dahin nur ein paarmal gefahren hatte. Zum ersten Mal in seinem Leben betrat er einen WalMart und kaufte dort die hässlichsten Sachen, die er finden konnte, dazu eine Lesebrille mit möglichst wenig Dioptrien sowie eine Packung Haartönung.
Er brauchte zwei Tage, bis er in Omaha ankam, wo er unter falschem Namen in einem Motel eincheckte. Am folgenden Tag erschien er pünktlich zur Eröffnung der Sitzung im Gerichtsgebäude. Als die Witwe eintraf, wurde sie sofort von den Reportern der Lokalpresse belagert. Als sie frisch gebleicht, blasiert und überheblich im Glanz ihrer zweifelhaften Berühmtheit badete, wirkte sie in Creightons Augen ganz und gar nicht wie das Opfer einer hinterhältigen Straftat.
Billy Duke hatte ein wenig überzeugendes, selbstgefälliges Schmunzeln aufgesetzt.
Creighton verschlang alles, was in der Lokalpresse über die Verhandlung geschrieben wurde, und verfolgte in seinem Motelzimmer jede Nachrichtensendung. Es wurde berichtet, dass sich die junge Frau aus Atlanta unbedarft durch ihre Aussage geplappert hatte. Man hatte sie als Charakterzeugin aufgerufen, und das Porträt, das sie von dem Angeklagten gezeichnet hatte, war wenig schmeichelhaft.
Sie gab zu, ein sexuelles Verhältnis mit Billy Duke gehabt zu haben. Er hatte sie glauben lassen, dass er sie aufrichtig liebte und sie irgendwann heiraten würden. Aber während er ihr ein Eheversprechen nach dem anderen gab, vögelte er schon längst mit der Witwe.
Billy Duke war ein Schuft und Weiberheld. Ob er auch ein Krimineller war, würde die Zeugenaussage der Witwe ergeben, und die würde mit gezogener Flinte vor Gericht erscheinen.
Zwei Tage blieb Creighton ihr auf den Fersen und wartete auf eine günstige Gelegenheit.
Am Abend des zweiten Tages hielt sie an einem Supermarkt. Als sie herauskam und auf ihren Wagen zuging, spazierte Creighton auf sie zu und fragte sie mit einem entwaffnenden Lächeln, ob sie die Frau sei, die er im Fernsehen gesehen hätte. Geschmeichelt lächelte sie zurück, klimperte mit den falsehen Wimpern, reckte den Riesenbusen vor und antwortete, jawohl, die sei sie.
Blöde Kuh. Sie widerte ihn an. Er versuchte, sie nirgendwo zu berühren außer an ihrem Hals. Abgesehen davon war es verblüffend einfach.
Als sich
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