Sündige Gier
die Jury endlich zur Beratung zurückzog, hatte Creighton sein Motelzimmer, die primitiven WalMart-Klamotten und die dunklen Haare gründlich satt.
Kurz nach Billy Dukes Freispruch tauchte Creighton an seiner Haustür auf und stellte sich als der Mensch vor, dem Billy die Freiheit verdankte. Dann erklärte er dem fassungslosen Freigesprochenen, was er im Gegenzug für ihn tun musste. Billy war von Creightons Wagemut so beeindruckt - oder eingeschüchtert - und so dankbar, dass er sich leicht überreden ließ. Die Aussicht auf hunderttausend Dollar trug dazu bei, alle verbleibenden Bedenken, ob moralisch oder sonstwie, auszuräumen.
Billy war auf seine Weise durchaus gewitzt, aber er spielte eindeutig nicht in Creightons Liga. Nicht annähernd. Und es gab eine schmerzliche Fußnote: Billy hatte immer eine Schwäche für die »süße Kleine« gehabt. Er hatte um ihr Leben gefleht.
»Bis zum bitteren Ende.«
»Was hast du gesagt, Schatz?« Creighton merkte erst, dass er laut gesprochen hatte, als seine Mutter mit einem Tässchen mit Untertasse in der Hand wieder an den Tisch trat. »Espresso?«
»Nein danke.«
»Dein Vater telefoniert eben mit Pauls Anwalt.«
Sie redete weiter, aber Creighton blendete ihr Geplapper aus. Er fühlte sich der süßen Kleinen längst nicht so verbunden wie Billy. Und er wollte keine losen Fäden hinterlassen. Immerhin hatte Billy bei ihr zu Hause angerufen, und wer wusste, was er dabei absichtlich oder unabsichtlich über Creighton Wheeler gesagt hatte?
»Einer der Zeitungswagen ist vor dem Tor quer über den Rasen gefahren«, sagte seine Mutter eben. »Diese Leute haben nicht den geringsten Respekt vor dem Eigentum anderer Menschen.«
Außerdem machte es bestimmt Spaß. Unvermittelt stand er auf. »Entschuldige mich, Mutter. Ich muss weg.«
»Weg? Ich dachte, du bleibst heute hier. Doug rechnet fest damit. Er wird bestimmt wütend.«
»Er wird schon darüber wegkommen.«
»Was soll ich ihm sagen? Was ist denn so wichtig?«
Creighton beugte sich vor, hauchte einen Kuss auf ihre Wange und zwinkerte ihr zu, als er sich wieder aufrichtete. »Ich habe ein Date.«
25
Während Kimball damit beschäftigt war, Ariel Williams zu befragen, war Sanford ins Fulton County Medical Examiner’s Center gefahren und verfolgte dort die Autopsie von Billy Duke. Die Detectives hatten beschlossen, sich aufzuteilen, um mehr erledigen zu können. Ein Münzenwurf hatte darüber entschieden, wer wohin fahren würde. Sanford hatte verloren.
Er hatte zwei Päckchen Kaugummi mitgenommen und kaute einen Streifen nach dem anderen durch, während Billy Dukes Organe entnommen wurden. Das anschließende Zunähen überließ der Pathologe einem Assistenten und trat ans Waschbecken, um sich die Hände zu waschen. Froh, dass das Schlimmste überstanden war, bat Sanford ihn um einen vorläufigen Befund. »Er ist verblutet, richtig?«
»Die Messerwunde hatte eindeutig das Potential, ihn zu töten. Er wäre verblutet. Bald.« Der Pathologe schüttelte das Wasser von den Händen und zog zwei Papierhandtücher aus dem Spender. »Aber wie ich gehört habe, waren die Sanitäter schon wenige Minuten nachdem ihm die Wunde zugefügt wurde vor Ort.«
»Stimmt. Sobald der Notruf einging, ging alles Schlag auf Schlag.«
»Wenn das Opfer sofort in einem Notfallzentrum behandelt worden wäre, hätte es den Stich möglicherweise überlebt.«
»Und das heißt?«
»Das heißt, dass der Tod eintrat, bevor der Mann verbluten konnte. Er ist an etwas anderem gestorben.«
»Und woran?«
»Das werde ich Ihnen so bald wie möglich mitteilen.«
Sanford traf kurz vor Kimball im Büro ein. Sie brachte ein Päckchen Cracker mit und stellte es auf seinem Schreibtisch ab. »Wofür sind die?«, fragte er.
»Dir ist doch immer flau nach einer Autopsie. Die helfen dagegen.«
»Danke.« Er schob sich zwei Cracker in den Mund. »Was hatte das Mädchen zu sagen?«
Kimball fasste ihr Gespräch mit Ariel Williams zusammen. »So wie ich es sehe, sagt sie die Wahrheit. Sie lässt sich nicht gern über die Art ihrer Beziehung zu Duke aus, aber darüber spricht es sich auch nicht leicht. Sie arbeitet noch nicht lang in der Firma. Ihren Kollegen sind fast die Augen aus dem Kopf gefallen. Sie wirkt verängstigt und unschuldig und sagt, sie wisse, dass es herzlos klinge, trotzdem sei sie froh, dass ihr Billy Duke keinen Ärger mehr machen könne.«
Sanford vertilgte den nächsten Cracker. »Hat sie irgendwas über Julie Rutledge gesagt?
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