Sündige Sommernächte - Kent, A: Sündige Sommernächte
nur träge und fett werden, wenn alles nach deiner Nase ginge, und so kann ich mir dich beim besten Willen nicht vorstellen.“
„Kannst du dir mich alt vorstellen?“
„Alt? Nein, ich glaube nicht.“ Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht und hielt sie einen Moment hoch, bevor sie sie losließ. „Wir sind erst seit einigen Monaten getrennt, aber alt fühle ich mich nicht.“
Eddie wünschte, er hätte dieselbe Einstellung. Aber da waren seine Schmerzen und die Müdigkeit.Er fühlte sich kaputt, körperlich wie seelisch. Noch nie hatte er sich so erschöpft und einsam gefühlt. „Ich schon. Ich fühle mich alt und ausgelaugt.“
Sie legte ihm den Arm um die Schultern und schmiegte den Kopf an ihn. Im Fenster sah er ihr Lächeln, das er immer so sehr geliebt hatte. „Du bist seit Monaten deprimiert, und das ist kein Wunder, schließlich hast du drei Operationen hinter dir. Du hast mehr Medizin schlucken müssen, als so manches Pferd vertragen hätte. So etwas geht an niemandem spurlos vorüber.“
Sie legte ihm die Hände auf die Schultern und drehte ihn zu sich, damit sie ihm ins Gesicht sehen konnte. Ihre Augen waren groß und blau, und als er Tränen darin schimmern sah, zog sich alles in ihm zusammen.
„Du, Eddie Worth, bist ein wundervoller Mann. Ich kenne dich schon so viele Jahre, und ich weiß, du kommst früher oder später wieder auf die Füße. Nichts und niemand wird mich von dieser Überzeugung abbringen.“
Er fragte sich, womit er diese Frau, die mehr Vertrauen in ihn hatte als er in sich selbst, verdient hatte. Und das nach all dem, was er ihr im vergangenen Jahr zugemutet hatte. „Ich bin froh, dass wenigstens einer von uns beiden noch Hoffnung in mich setzt.“
„Du redest, als stündest du schon mit einem Beinim Grab.“
„Ehrlich gesagt fühle ich mich meistens auch so.“ Sie umfasste sein Gesicht und sah ihm tief in die Augen, ehe sie seine Hand nahm und ihn zum Küchentisch führte, wo sie so viele Mahlzeiten gemeinsam als Familie eingenommen hatten.
An diesem Tisch hatten sie mit Cardin buchstabieren geübt, und Eddie hatte vom letzten Rennen mit White Lightning erzählt. Hier hatten sie beratschlagt, wo sie die Ferien verbringen würden und wie sie das Geld, das sie eingenommen hatten, verwenden sollten.
Eddie saß auf seinem üblichen Platz, und Delta saß neben ihm, ein wenig zur Seite gedreht, damit sie ihn ansehen konnte. Dadurch berührten sich ihre Knie. „Ich finde, du solltest es ruhiger angehen lassen. Nicht wegen deines Alters, sondern weil du dir nicht genug Genesungszeit gegönnt hast. Du bist viel zu früh wieder arbeiten gegangen, dadurch konntest du dich mental nicht von dem Unfall erholen.“
Zu Hause zu bleiben und nichts zu tun hatte ihn wahnsinnig gemacht. Er hielt es nicht aus, die Wände anzustarren oder sich vor den Fernseher zu setzen. Lesen konnte er auch nur ein paar Stunden, dann musste er raus und sich bewegen. „Das sagt jeder. ‚Nimm dir Zeit, um wieder richtig gesund zuwerden.‘ Aber die sind auch nicht zum Nichtstun verurteilt und werden langsam irre.“
„Du bist stets geduldig gewesen mit mir, mit Cardin und sogar mit deinem Vater. Nur mit dir selbst hast du keine Geduld.“
„Mit zu viel Geduld erreicht man nichts.“
„Aber wenn man zu ungeduldig ist, brennt man aus.“
Sie hatte recht, aber er auch, nur wusste er nicht, was er mit dieser Erkenntnis anfangen sollte. „Wenn ich weniger arbeite, was soll ich dann mit meiner Zeit anfangen?“
„Du könntest tun, was du immer wolltest.“
Das stimmte nicht ganz. „Ich könnte nicht mehr mit White Lightning Rennen fahren.“
„Nein, aber du könntest wieder mit deinem Vater an dem Wagen arbeiten.“
Mit seinem Vater, der sich weigerte, ihm das zu erzählen, was er am dringendsten zu wissen begehrte.
Genau damit aber würde Eddie sich arrangieren müssen. Die Dinge würden nie mehr so sein wie vor dem Unfall. Doch wenn er irgendeine Beziehung zu seiner Familie aufrechterhalten wollte, musste er sich mit seiner Vergangenheit abfinden.
„Würdest du denn zu mir zurückkehren, wenn ich mir Zeit nähme, wieder zu mir zu kommen, undwenn ich mich mit Jeb ausspreche?“
Bis jetzt hatte Delta ihn berührt und ermutigend angesehen, doch nun wich sie zurück und saß aufrecht auf ihrem Platz. „Ich liebe dich, Eddie. Du bist der einzige Mann, den ich jemals geliebt habe.“
„Aber?“, fragte er, während Angst in ihm hochkroch. Er würde nicht imstande sein, irgendetwas zu
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