Sündiges Geheimnis: Roman (German Edition)
auspacken, die noch im Kutschenhaus stehen.«
»Noch mehr Bücher?« Erschrocken wandte sie sich zu ihm. »Ich sollte lieber …«
»Keine Widerrede. Freuen Sie sich lieber, dass Sie keine bedruckten Ziegelsteine schleppen müssen. Außerdem«, fügte er mit seinem betörenden Lächeln hinzu, »bin ich hier der Gebieter.«
»Aber …«
»Und ich brauche eine Begleitung.«
Entgeistert schaute sie ihn an, denn jetzt erst drangen seine Worte wirklich zu ihr durch. Sie sollte ihn begleiten! Ihre Hand in seiner begann zu zittern.
»Ich lege großen Wert auf Ihre Gesellschaft und Beratung, denn ich plane weitere Bücherkäufe.«
Miranda atmete erleichtert auf. Ein Wunsch, der wenigstens zu ihrer Position in seinem Haus passte und den sie nicht gut ablehnen konnte. Und das wollte sie auch gar nicht, wenn sie ehrlich war. Sie entzog ihm lediglich ihre Hand und glättete ihren Umhang, der bereits lange aus der Mode war.
»Also gut. Welche Buchhandlung besuchen wir?«
Das Bündel immer noch in der Hand bedeutete er ihr, ihm zur Straße zu folgen. »Keinen Laden.«
Miranda beobachtete die Passanten auf dem Gehsteig, die dem Viscount neugierige Blicke zuwarfen. Kein Wunder, so wie er aussah.
»Nein? Ein Lager?« Gewiss würde sein Titel ihm einige Türen in der Paternoster Row öffnen.
»Nein, wir gehen zu Lady Banning.«
Miranda strauchelte und wäre beinahe hingefallen, wenn er sie nicht gehalten hätte. Doch die Berührung seiner Hand brachte sie vollends aus der Fassung. Und die Vorstellung, Lady Banning aufzusuchen, minderte ihre Nervosität nicht gerade.
»Dafür bin ich nicht richtig angezogen«, brachte sie lahm vor.
»Dann werden wir vorher bei einer Modistin anhalten und etwas Passendes für Sie finden.«
Eine stattliche Kutsche, gezogen von zwei edlen Pferden, rollte heran, hielt an, und ein livrierter Page öffnete den Schlag, reichte Miranda eine Hand, um ihr beim Einsteigen zu helfen. Zwei Zimmermädchen, die gerade vorbeigingen, schauten verwundert zu.
Miranda glaubte zu träumen. War sie wirklich am Morgen in ihrem Zimmerchen erwacht, hatte mit Mrs. Fritz geschwatzt, die für Onkel und Nichte kochte und sauber machte, und dann noch etwas im Laden erledigt? Was hatte das alles mit dieser fremden Welt zu tun, in der sie sich plötzlich wiederfand?
»Giles«, hörte sie den Viscount dem Kutscher zurufen, »wir halten zunächst bei Madame …«
»Nein, nein«, unterbrach Miranda ihn hastig.
»Madame Ga…«
»Darf ich kurz mit Ihnen reden?«, sagte sie und zog ihn am Ärmel, zerrte ihn zur Seite. »Wovon reden Sie?«, flüsterte sie atemlos.
»Ich bringe Sie zu einer Modistin.«
»Meinen Sie das ernst? Mit dem Besuch bei Lady Banning, meine ich?«
»Zumindest ist er geplant.«
»Wir könnten zu Fuß hingehen.«
»Wissen Sie denn, wo sie wohnt?«
»Gleich um die Ecke.«
»Haben Sie sich in den Büschen versteckt und ihr nachspioniert?«
Miranda reckte ihr Kinn. »Wo Lady Banning wohnt, weiß jeder.«
»So berühmt ist sie? Das wird sie freuen. Kann ich mich mit ihr messen? Wussten Sie ebenfalls, wo ich wohne?«
Sie errötete. »Seien Sie nicht albern.«
»Oh, ich fühle mich geschmeichelt«, sagte er grinsend.
»Dazu haben Sie keinen Grund. Wie Sie sich vielleicht erinnern, hielt ich Sie für Ihren Butler.«
»Ach ja, das kränkt mich immer noch.« Offenbar hatte es ihn köstlich amüsiert, sich als ein anderer auszugeben.
»Für einige Leute ist es ein Spiel, die Adressen von Standespersonen zu kennen. Das ist alles.« Miranda brauchte nur an Georgette zu denken.
»Bekomme ich Pluspunkte, weil ich der König aller Wüstlinge bin?«
»Tut mir leid, ich habe nie viel über Sie gehört.« Nervös presste sie ihre Hände zusammen.
»Oh, jetzt haben Sie mich noch schmerzlicher verletzt«, klagte er und ließ sie nicht aus den Augen.
Bestimmt ahnte er, wie viel sie über ihn gehört hatte, überlegte Miranda. Auch dass sie schon früher fasziniert von ihm gewesen war? So hatte Georgette es zumindest an jenem Nachmittag, als er sie belauschte, ausgedrückt.
Was sie niemals zugeben würde.
»Jedenfalls können wir zu Fuß gehen«, versuchte sie zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Für die bisherigen Ausflüge war nie eine Kutsche erforderlich gewesen. Selbst für den etwas weiteren Weg zum Newgate-Gefängnis nicht – sie wolle ihm unterwegs dies und das zeigen, hatte sie erklärt.
»Zu Fuß? Niemals. In diesem Fall wäre das nicht stilvoll.« Einladend wies er auf die schwarze
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