Sündiges Geheimnis: Roman (German Edition)
Mill diffamierte er Eleutherios. Da war Downing ja geradezu maßvoll: Er lehnte den Autor nur ab, versprühte jedoch kein Gift wie Mr. Pitts, der den Schriftsteller persönlich zu kennen und zu hassen schien.
Miranda hatte damals in einem Leserbrief Eleutherios verteidigt, woraufhin der sarkastische Nörgler sich direkt an sie gewandt hatte. Seither führten sie eine rege Korrespondenz, bei der sie sich nicht schonten – niemals allerdings kritisierte er ihre Ansichten, weil sie eine Frau war. Er konnte sogar charmant sein, wenn er wollte. Ganz egal, was Georgette behauptete.
Miranda war sich sogar ziemlich sicher, dass er ihren teils freundschaftlichen, teils kampflustigen Briefwechsel ebenso genoss wie sie. Sie war gespannt, was er ihr empfehlen würde. Bestimmt riet er ihr, die skandalöse Handschrift in die Themse zu werfen. Er hatte sich ja bereits über Eleutherios’ Geschenk, das Vorabexemplar, aufgeregt und dem »Schwachkopf« ruchlose Motive unterstellt.
War er im Recht? Durfte sie solche Geschenke nicht annehmen? Weder von dem einen noch von dem anderen? Andererseits vermochten Bücher so wunderbare Träume zu wecken, die einem zu überleben halfen. Miranda hatten sie bereits über eine abgrundtiefe Verzweiflung hinweggeholfen.
Wehmütig griff sie nach den fadenscheinigen Handschuhen, mit denen sich ebenfalls Träume verbanden. Ebenso törichte wie gefährliche.
6
In diesem Leben wünsche ich mir vor allem, ein offenes Auge und ein offenes Herz zu besitzen. Träume schenken einem beides.
Miranda Chase an Mr. Pitts
Träume betrachtete er als sinnlos. Maxmilian Landry, Viscount Downing, schob die maßgeschneiderten Handschuhe zwischen die Finger seiner linken Hand. Unleugbar war eine reale Aktion effektiver. Und Naivität in jeder Form fand er grauenhaft.
Mit Träumen hatte er niemals irgendetwas erreicht. Vielleicht weil die Launen anderer Menschen alle Träume zerstört hatten. Nur Taten und Manipulationen führten zum Ziel, Verführung war die schwierigste und einfachste Taktik zugleich.
Typisch für ihn, dieses Interesse an einer Frau, die sich so völlig von ihm unterschied … Miranda Chase reagierte und beobachtete, statt die Initiative zu ergreifen, wollte immer nur helfen, statt sich zu nehmen, wonach es sie verlangte.
Das würde er ändern.
Schon vor geraumer Zeit hatte er erkannt, dass er Miranda Chase begehrte. Sollte sie ruhig weiterhin denken, dass ihre Bekanntschaft noch recht jung war. Ja, er wollte sie besitzen. Und er setzte seinen Willen immer durch.
7
Liebe Chase, die Männer heucheln kein Interesse, so wie Sie es schildern. Entweder sind sie interessiert, oder sie sind es nicht. Doch das hat absolut nichts mit der Frage zu tun, ob man ihnen trauen kann.
Mr. Pitts an Miranda Chase
Sonnenstrahlen erwärmten ihre Haut und erhitzten ihre Gedanken, als sie fünf Tage später zu der imposanten Stadtresidenz des Viscount Downing ging.
Hatte sie einmal geglaubt, er würde keine unlauteren Methoden anwenden, so wusste sie es inzwischen besser. Er nutzte jede, wirklich jede Gelegenheit, um sie mit anzüglichen Bemerkungen zu schockieren. Und er berührte sie immer wieder. Auf unschuldige Weise, scheinbar zufällig. Noch bevor seine Fingerspitzen ihren Arm streiften, spürte sie seine Wärme – und sobald er seine Hand entfernte, traf Luft auf erhitzte Haut. Manchmal fühlte sie sich wie ein Blatt auf dem Wasser eines Teiches, das sanft auf den Wellen schwamm, von einer fremden Macht bewegt. Oder, wenn ihre Sinne überreizt waren, verglich sie sich mit einem Fisch, dem unwiderstehliche Köder zugeworfen wurden.
Mit Eleutherios’ Buch bewaffnet, hatte sie Seiner Lordschaft am Mittwoch alles im Garten gezeigt, was seine Augen für die Schönheit ringsum öffnen sollte: Schmetterlinge, Gräser, die leicht im Windhauch zitterten, den scheuen Blick eines Häschens. Und plötzlich – sie wusste nicht, wie es geschah – sah sie in jeder Pflanze, statt auf deren vibrierendes Leben und die fest verankerten Wurzeln hinzuweisen, nur mehr eine heranreifende Frau oder einen potenten Mann. Runde Tomaten, die Form eines Kohlkopfs mit geöffneten Blättern oder lange Gurken erinnerten sie fatal an andere Dinge. Stammelnd beantwortete sie seine beiläufigen Kommentare und beobachtete mit wachsender Verwirrung, wie er mit anzüglichen Bewegungen über Früchte und Gemüse strich.
Genauso gut hätte er ihre Wange streicheln können, und daran sollte sie offenbar denken. Sein sinnliches
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