Sündiges Geheimnis: Roman (German Edition)
glitten liebkosend über den Stoff, und das fühlte er am ganzen Körper, bis hinab zu den Zehen.
Was sie sagte, hörte er nicht – er malte sich, in seinem komfortablen Sessel sitzend, bloß aus, was sie sagen könnte. Etwas, das zur Sehnsucht in ihren blauen Augen passte.
Fragend schaute die Modistin zu ihm herüber, er hob zwei Finger, und sie nickte. Eine stumme Verständigung, die nur wenige Sekunden dauerte und von der Miranda nichts merkte. Madame Galland reichte ihr noch ein Kleid und noch eines, andere Stoffe, andere Farben, bis Downing schließlich zustimmend den Kopf neigte. Dann wurde Miranda in einen Raum geleitet, der bedauerlicherweise außerhalb seines Blickfelds lag. Wie gerne würde er beobachten, wie sie sich auszog, ihre helle, zarte Haut sehen …
Er sah sie erst, als sie in dem von ihm ausgewählten Kleid auftauchte. Widerstrebend ließ sie sich von Madame Galland zu einem der hohen Spiegel führen, wo auch er sie eingehend betrachten konnte. Nur wenige Änderungen würden nötig sein. Schon jetzt betonte das Kleid nahezu perfekt ihre Figur, ließ nackte, schimmernde Haut sehen. Geöffnete Nähte erlaubten ihm einen indiskreten Blick auf ihre Unterwäsche.
Als die Nähte abgesteckt wurden, entspannte sich Miranda und schien die Situation sogar zu genießen. Nur die scheuen Gesten, wie sie ihr kastanienbraunes Haar hinter das linke Ohr strich, verrieten, dass diese Situation ihr fremd war. Und die verstohlenen Blicke, die sie in seine Richtung warf, wenn sie glaubte, er würde nicht hinschauen.
Er musste sich zurückhalten, um sein Triumphgefühl nicht allzu deutlich zu zeigen. Tatsächlich entwickelte sich alles bestens. Aber so ganz anders als bei seinen früheren Eroberungen. Er konnte sich dieses drängende Verlangen, Miranda zu besitzen, selbst nicht erklären. Aber er wollte sie nicht nur haben, sondern sie auch formen und verändern. Ihr helfen, eine eigenständige Persönlichkeit zu werden. Und gleichzeitig das zu bewahren, was ihn zu ihr zog, und sie künftig vor Männern seiner Sorte zu schützen.
Auf diesem schmalen Grat bewegte er sich seit Wochen. Er musste endlich die Initiative ergreifen. Schon mehrmals war er nahe dran gewesen, was sie dank ihrer Unschuld nicht gemerkt und folglich keinen Verdacht geschöpft hatte. Warum sollte sie auch? Einfach lächerlich, die ganze Situation …
Eigentlich sah ihm so etwas nicht ähnlich. Normalerweise legte er Wert darauf, stets die Kontrolle zu behalten, nicht zuletzt über seine Gefühle. Damit nichts aus dem Ruder lief wie bei seinen Eltern. Und wie seine Geschwister wollte er auch nicht sein – sentimentale Schwächlinge nannte er sie gerne abschätzig. Und nun passierte ihm genau das Gleiche, denn er machte sich innerlich abhängig. Das zerrte an seinen Nerven, verursachte Selbstzweifel und missfiel ihm gründlich.
Da saß er nun und starrte sie an: die großen Augen, ihr schüchternes Lächeln, wenn sie zögernd nickte, während die Modistin mit ihr sprach. Wobei sie eigentlich ganz und gar nicht zurückhaltend war, sondern recht selbstbewusst im Auftreten – offenbar flößte ihr die ungewohnte Situation Unbehagen ein. Energisch beschloss er, das einmal begonnene Spiel durchzuziehen, um dann vielleicht in sein vertrautes Leben zurückzukehren, befreit von den unsichtbaren Fesseln, die sie ihm angelegt hatte.
Es sollte ihm nicht schwerfallen. Schließlich musste er bereits schwierigere Herausforderungen meistern – er musste nur an all die Probleme mit seiner Familie denken. Was ihn allerdings zutiefst erschreckte, waren diese merkwürdigen Anwandlungen, die ihn neuerdings überfielen – und an denen Miranda Chase ganz und gar nicht unschuldig war. Seit er sich so befremdlich von ihr gefangen genommen fühlte, stellte er sich tatsächlich bisweilen die Frage, wie es wäre, respektabel zu werden und ein Leben ohne Skandale zu führen.
Welch ein Gedanke!
Und doch wurde er ihn nicht los. Was aber an ihr verleitete ihn dazu? Die Ahnung großer Leidenschaft, die er hinter ihrer Unschuld vermutete? Ihre Offenheit und Klugheit? Weil er hoffte, sie könne ihn vor dem Absturz in einen völlig unmoralischen Lebenswandel bewahren? Weil er durch sie zu glauben begann, dass Emotionen nicht zwangsläufig ins Verderben führten, sondern vielleicht auch die Rettung bedeuten konnten?
Irgendetwas hatte Miranda an sich, das ihn lockte, sein Blut schneller durch die Adern fließen ließ. Etwas, das er nicht benennen und, schlimmer, nicht
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