Sündiges Geheimnis: Roman (German Edition)
beobachtet hatte.
»Ist das einer Ihrer Tricks, Downing? Oder haben Sie wirklich was zu bieten, das sich zu begutachten lohnt?«
Sie streckte ihre Hand aus, und er griff nach dem Bündel, das er beiseitegelegt hatte. Lässig öffnete er es und hielt ihr das Buch entgegen. Zum ersten Mal zeigte sie eine Gefühlsregung, als sie es hastig an sich nahm und ihn entrüstet anstarrte. Unschuldig erwiderte er ihren Blick.
»Eines Tages werden Sie mich auf unverzeihliche Weise erzürnen, Downing.«
»Niemals. Dafür amüsiere ich Sie viel zu sehr.«
Nach einem weiteren strafenden Blick inspizierte sie die Handschrift mit den Miniaturen. »Interessant.«
An eine Wand gelehnt, winkte er gleichgültig ab. »Kaum akzeptabel.«
»Manchmal hasse ich Sie, Downing.«
»Und ich lebe nur für Ihre Gunst.«
Seufzend wandte sie sich zu Miranda. »Ich hoffe, Mädchen, Sie wissen, worauf Sie sich mit diesem Mann einlassen.«
Außerstande, einen Laut hervorzubringen, schluckte Miranda nur.
Lady Bannings Augen verengten sich. »Downing!«, stieß sie warnend hervor.
Zum ersten Mal schien etwas seine Gelassenheit zu erschüttern, doch er bekam sich schnell wieder unter Kontrolle. Miranda schaute ihn und die Lady verständnislos an.
»Erzählen Sie mir etwas über das Buch«, verlangte die Countess.
»Das ist eine Bilderhandschrift.«
»Stellen Sie meine Geduld nicht auf eine zu harte Probe, Downing. Können Sie mir etwas über dieses Buch sagen, Miss Chase? Ich nehme an, der Viscount hat Sie hierhergebracht, damit Sie die Echtheit des Werkes bestätigen – falls er seine Manieren vergisst.«
Vorsichtig nahm Miranda das Buch entgegen und studierte den Einband. »Ja, die Verzierungen passen zum zwölften Jahrhundert.« Behutsam blätterte sie die Seiten um. »Auch die Illustrationen entsprechen jenem Stil, und das Pergament befindet sich in ausgezeichnetem Zustand.«
Es handelte sich tatsächlich um ein bemerkenswertes Kunstwerk. Allerdings fühlte sie sich angesichts des Textes, der die Vorzüge der Keuschheit pries, etwas unbehaglich, denn unwillkürlich musste sie an den Inhalt der obszönen, in ihrem Zimmer versteckten Handschrift denken.
»Kein Skandal aus dem vierzehnten Jahrhundert, aber trotzdem sehenswert«, meinte die Countess und runzelte die Stirn.
Miranda glaubte zu erröten. Wusste Lady Banning etwa von dem skandalösen Buch, das tatsächlich aus dem vierzehnten Jahrhundert stammte?
»Ja, wirklich sehenswert«, wiederholte der Viscount im gleichen gelangweilten Tonfall, in dem er zuvor das Wort »akzeptabel« ausgesprochen hatte.
Ihre Ladyschaft warf ihm einen scharfen Blick zu. »Also gut, Downing, das Mädchen hat bestätigt, was mir bereits klar war. So wie Ihnen. Was wollen Sie im Gegenzug von mir?«
»Das wissen Sie, Countess.«
Sie presste die Lippen zusammen, stand eine Zeit lang reglos da, schnippte dann mit den Fingern. Ein Lakai, der bei der Tür gewartet hatte, trat ein paar Schritte vor.
»Holen Sie das Päckchen«, befahl sie.
Er nickte und entfernte sich, offensichtlich über den Wunsch seiner Herrin informiert. Wenig später kehrte er mit einem Bündel zurück. Auf Lady Bannings Wink hin reichte er es dem Viscount. Es glich ziemlich exakt jenem, das Downing hierhergetragen hatte. Gewiss wäre John Fennery erfreut, wenn er wüsste, wie eifrig die englische Aristokratie die von ihm erst kürzlich entwickelten Einwickeltücher gebrauchte.
Aber dieses Paket enthielt nicht, was Miranda vermutet hatte. Lächelnd packte Downing eine dicke Mappe aus, öffnete sie und enthüllte einen Stapel beschrifteter Papiere.
Von Neugier überwältigt, vergaß Miranda ihre guten Manieren und trat näher zu ihm, kniff die Augen zusammen. Sie sah Tintenkleckse, die auf hastig hingekritzelte Notizen hinwiesen, und entzifferte ein paar Namen: Viola, Sebastian, Orsini. Verwirrt blinzelte sie. Mehrere Sätze waren durchgestrichen, andere unterstrichen.
»Ist das …« Abrupt verstummte sie.
»Nur Geschreibsel«, murmelte der Viscount und schloss die Mappe.
»Ein kluger Kopf auf schmalen Schultern. Viel besser als Ihr üblicher Geschmack.« Die Countess musterte Miranda mit forschendem Blick. »Wie haben Sie die junge Dame aufgespürt, Downing?«
»Nun, ich habe emsig unter einigen Bücherstapeln gesucht.«
»Hm. Und ich dachte, Sie könnten kaum lesen. Andererseits haben Sie die Stapel wahrscheinlich nur umgestoßen, um möglichst schnell einen neuen Rock zu finden.«
»Lady Banning, ich bin am Boden
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