Sündiges Geheimnis: Roman (German Edition)
Nacken und Schultern massieren mussten?
Warum hatte sie dem Dinner mit dem Viscount jemals zugestimmt? Lächerlich. Die Strafe würde noch kommen. Das lehrten bereits die Geschichten der griechischen Mythologie. Da wurde man plötzlich, statt in den Olymp erhoben zu werden, in einen Baum oder ein Reh verwandelt – zur Strafe für die Anmaßung, sich über den einem gebührenden Stand hinweggesetzt zu haben.
Seufzend griff sie nach einem der seidenen Handschuhe und zog gleich einen Faden mit ihren rissigen Fingern. Bevor sie weiteres Unheil anrichten konnte, nahm Galina ihr die hauchzarten Gebilde weg und streifte sie ihr über die Hände. Nicht grob und auch nicht sanft. Als wüsste sie nicht genau, was sie von alldem halten sollte.
Miranda blieb keine Zeit, um über Galinas Verhalten nachzudenken, denn sie musste jetzt aufstehen und sich Mieder, Unterkleid und Kleid anziehen lassen. Wo kam dieses Traumgebilde plötzlich her? Innerhalb einer Stunde. Es passte, als sei es eigens für sie angefertigt worden. Verwundert starrte sie in den hohen Spiegel.
Und dazu die Handschuhe – so luxuriös, so weich auf ihrer Haut. Und sie verbargen alle Spuren, die sie in dieser Welt des Luxus als Eindringling verraten könnten.
Anerkennend nickte die Ältere. »Wie schön Sie aussehen, Miss Chase.« Während das jüngere Mädchen enthusiastisch zustimmte, zeigte Galina sich weniger begeistert, und noch immer stand dieser zwiespältige Ausdruck in ihrem Gesicht.
Als Nächstes wurde ihr ein marineblauer Domino-Umhang mit Kapuze über die Schultern gelegt, der ebenfalls nagelneu wirkte und zu dem eine blaue, mit Federn besetzte Maske gehörte. Dunkler als das Kleid, heller als der Umhang, die aber beide Farben aufgriff. Keine Frage: Downing hatte die gesamte Ausstattung eigens für sie angeschafft. Dass er das Gegenteil behauptet hatte, interessierte sie nicht. Wichtig war nur die Frage nach dem Warum. Geschah es aus Langeweile? Um sie zu erobern? Merkte er eigentlich nicht, dass sie auch ohne solche Bemühungen kurz vor der Kapitulation stand? Weil sie ihm rettungslos verfallen war.
»Kommen Sie, Miss Chase, wir sollen Sie zum Roten Salon begleiten.«
Sie folgte den drei Frauen. In den Fluren blieben die Dienstboten stehen, denen sie begegneten, und gafften sie unverblümt an. Mirandas Unbehagen wuchs.
Zaudernd betrat sie den schwarz-silber-goldenen Raum, in dem nur zwei Lampen brannten. Davon eine direkt bei der Tür – sie tauchte jeden Hereinkommenden in helles Licht –, während auf dem Schreibtisch eine zweite flackernde goldene Schatten auf Downings attraktives Gesicht warf. Dazwischen lag nichts als tiefe Schwärze.
Er saß zurückgelehnt in seinem Lehnstuhl, drehte mit der linken Hand geistesabwesend einen Federkiel hin und her. Als er aufschaute, entglitt ihm die Feder, er schaute sie bloß gebannt an.
Auf einen Wink von ihm wurde die Tür geschlossen, und sie waren allein.
»Sind Sie das wirklich, Miss Chase?« Er lächelte schwach und ließ sie nicht aus den Augen.
»Das weiß ich ehrlich gesagt selbst nicht, Mylord«, erwiderte sie, von seltsamen Gefühlen erfasst.
Er stand auf und umrundete den Schreibtisch. »Hm, und wen werde ich statt Miss Chase in die Vauxhall Gardens führen?«
An seinen Fingern baumelte eine Maske, und mit einem Mal empfand sie eine schwindelerregende, erwartungsvolle Freude. Als würde sie in einem neuen Buch unbekannte Wunder entdecken. Oder einen Traum erleben und sich verwandeln, in wen immer sie wollte. Sie öffnete den Mund, um zu antworten, brachte aber keinen Laut hervor.
»Noch besser, dann werde ich es herauszufinden suchen.« Er hob ihre behandschuhte Hand, und seine lederumhüllten Finger erzeugten ein angenehmes, sanft reibendes Geräusch auf der Seide. »Darf ich?«
Noch immer schwieg sie, konnte nicht sprechen, und lächelnd ließ er ihre Hand los.
»Vielleicht werde ich Sie Estella nennen, den Stern der Nacht.« Er griff nach ihrer Maske mit der gleichen Hand, die seine eigene hielt, und hob sie ihr vors Gesicht. Ihre Wange wurde vom Velourssamt seiner Maske zart liebkost, als er die Bänder an ihrem Hinterkopf verknotete. Ganz langsam. In ihrem Haar spürte sie seine Manschettenknöpfe, der Duft von Bergamotte stieg ihr in die Nase.
Dann trat er zurück. Sie erwartete einen ironischen Kommentar, doch er schenkte ihr nur ein mysteriöses Lächeln, und alles im Zimmer, was nicht mit ihm zusammenhing, schien hinter grauen Schleiern zu verschwinden. Einige
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