Süß ist die Angst
um das, was er getan hatte, weniger schmerzvoll erscheinen zu lassen. Aber es gab nur eine einzige Entschuldigung, die in gewisser Hinsicht rechtfertigte, was er ihr angetan hatte. Er hatte die Wahrheit gesagt.
Aber wie sollte sie darin Trost finden?
Wenn das, was er ihr erzählt hatte, der Wahrheit entsprach, war Megan in staatlichem Gewahrsam missbraucht worden und nun in Lebensgefahr.
Doch was auch immer zutraf, Sophie würde alles tun, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Und zwar sobald sie am Montagmorgen wieder in der Redaktion war und zu arbeiten begann.
Sie warf einen Blick auf die Uhr am DVD -Player und sah, dass es fast zehn war. Sie nahm die Fernbedienung, schaltete den Fernseher ein und zappte durch die Programme, bis sie CNN hatte. Julian hatte versprochen, sie anzurufen, wenn sie Hunt gefasst hatten, aber das hielt sie nicht davon ab, wie besessen Nachrichten und Wetterberichte zu sehen, alle Zeitungen online zu durchforsten und sich bei dem Alert-Dienst von Google für den Namen Marc Hunter anzumelden.
David kam mit einem Tablett zurück, auf dem zwei Gläser Milch und zwei Teller mit Keksen standen. Er stellte das Tablett auf den Couchtisch und zog die Stirn in Falten.
»Meinst du nicht, dass das auf Dauer ungesund ist? Lass die Nachrichten aus, Sophie. Gib dir Zeit, dich zu erholen.«
Sie riss den Blick vom Bildschirm los und stellte fest, dass David sie beobachtete. Sie wusste, was er sah, ein leichenblasses Gesicht, eine gelblich schimmernde, zurückgehende Prellung, tiefe Ringe unter den Augen. Sie wusste, dass sie wie eine Fremde aussah, denn genau das dachte sie, sobald sie in den Spiegel blickte.
»Aber keine Nachrichten zu sehen ändert nichts an den Tatsachen.«
Er setzte sich neben sie und starrte einen Augenblick lang schweigend auf den Couchtisch.
»Als die Polizei mich anrief und mir sagte, dass er dich als Geisel genommen hat, hielt ich es zuerst für einen schlechten Scherz. Den ganzen Weg zum Flughafen konnte ich nur daran denken, ob er dich vergewaltigen oder töten würde oder … ob er dich schon umgebracht hatte. Mein Gott.«
Tränen verschleierten ihre Sicht, und sie griff nach seiner Hand.
»Ich habe meine Eltern verloren.« David sah auf, und seine Stimme brach. »Ich hätte es nicht ertragen, dich auch noch zu verlieren, Sophie.«
Es schnürte ihr die Kehle zu.
»Hast du ja nicht.«
»Zum Glück.« Er drückte ihre Hand fest. »Aber es macht mich rasend vor Wut, wenn ich daran denke, dass dieses Schwein dir Angst eingejagt hat. Du versuchst es zu verbergen, aber ich weiß, dass du dich fürchtest. Es kann nicht gesund für dich sein, die Nachrichten zu verfolgen.«
»Ich bin Reporterin. Ich kann die Nachrichten nicht ignorieren.«
»Doch, kannst du.« Er nahm die Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus. »Sophie, glaub mir, sie werden ihn kriegen. Um seinetwillen kann man nur hoffen, dass er bereits den Staat verlassen hat. Denn wenn dein Freund Julian ihn findet, macht er Kleinholz aus ihm.«
Und erst jetzt wurde ihr klar, was geschehen konnte.
Marc und Julian, die sich gegenüberstanden.
Beide bewaffnet.
Beide zum Töten ausgebildet.
Ihr gefror das Blut in den Adern.
Marc folgte ihm durch die eisige Finsternis und drückte sich in einen dunklen Winkel, als der Kerl anhielt, um einen Deal zu machen. Eine knappe Unterhaltung, Geld wurde gezeigt, und die Ware wechselte den Besitzer. Der Kerl bewegte sich weiter durch die Straßen, ohne zu merken, dass Marc ihm auf den Fersen war.
Donny Lee Thompson war ein Stricher, ein kleiner Dealer, der verkaufte, was immer er nicht selbst verbrauchte. Er war außerdem Emilys Vater und die einzige Spur, die Marc besaß. Er sah aus, als sei er Ende dreißig, war ein magerer Bursche mit käsiger Haut und schmutzigblondem Haar, das bereits dünner wurde. Marc hatte sich gefragt, was Megan wohl je an diesem Typen attraktiv hatte finden können, doch dann war es ihm wieder eingefallen.
Drogen.
Vor ihm überquerte Donny eine kleine Straße und lief plötzlich schneller. Einen Augenblick lang fürchtete Marc, dass der Kerl ihn bemerkt hatte, sah jedoch dann, was ihn verjagt hatte.
Ein Streifenwagen.
Langsam und fast lautlos rollte das schwarz-weiße Auto durch die Gasse auf ihn zu.
Verdammt.
Aber obwohl das Adrenalin bereits durch seinen Kreislauf pulsierte, wusste Marc, dass sie nicht seinetwegen hier waren. Sie waren eben einfach hier. Auf Streife.
Er zwang sich weiterzugehen. Einen Schritt nach dem
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