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Süß ist die Angst

Süß ist die Angst

Titel: Süß ist die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Clare
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durchsucht hatte, um ganz sicher sein zu können, dass nicht noch mehr versteckt war, verließ er Sophies Wohnung und kehrte zum Jaguar zurück.
    Der Himmel war klar und kalt, und Orion schwebte hoch oben in der schwarzen Nacht. In kurzer Zeit würde die Polizei mit dem Durchsuchungsbefehl auftauchen. Sie würde Sophies Wohnung auseinandernehmen, aber nichts finden. Natürlich konnte er damit nicht wiedergutmachen, was sie heute Nacht erleiden musste – Gott, er hasste den Gedanken daran! –, aber mehr stand im Augenblick nicht in seiner Macht.
    Er stieg in seinen Wagen und steckte gerade den Schlüssel ins Schloss, als drei Streifenwagen, einer davon eine Hundestaffel-Einheit, in ihre Straße einbogen.
    »Tut mir leid, Jungs, ich war schneller.«
    Mensch – war das knapp gewesen!
     
    Sophie drehte sich auf die Seite zur Wand, die dünne Plastikmatte, die als Matratze fungierte, machte das Liegen auf einer Pritsche nicht wirklich bequemer. Ihre winzige Zelle war dunkel und kalt: Stahlpritsche, Stahlklo, Stahlwaschbecken ohne Hahn. Obwohl sie keine Menschenseele sehen konnte, hörte sie Frauen flüstern, lachen, weinen.
    Das war die demütigendste Nacht ihres ganzen Lebens.
    Beine spreizen. Vorbeugen. Jetzt hinhocken und husten.
    Man hatte ihr alles weggenommen, was sie angehabt hatte, und ihr einen Stapel gefalteter Kleider gegeben. Zwei weiße Unterhosen, die schwache Blutflecken vorheriger Trägerinnen aufwiesen, einen BH , dessen Gummi längst ausgeleiert war, ein Paar Socken, abgetragene Turnschuhe, ein T-Shirt und einen blauen Overall. Außerdem bekam sie einen Regelkatalog, ein Handtuch, eine Zahnbürste und einen kleinen Kamm, der wahrscheinlich durch kurzes Männerhaar gehen, aber bei der ersten wirren Strähne Zinken verlieren würde.
    Was man ihr nicht gegeben hatte, war ein Schlafanzug. Oder etwas, womit man sich das Gesicht waschen konnte. Oder ein Aspirin gegen die Kopfschmerzen. Oder eine Decke, die wirklich warm hielt.
    Sie zog die dünne Baumwolldecke bis zum Kinn und starrte in die Dunkelheit. Ihr war flau im Bauch. Es war so seltsam, dass sie nun erlebte, was für die meisten Menschen, über die sie schrieb, Normalität war. Seit Jahren hörte sie sich deren Geschichten an, hatte versucht, wahre Ungerechtigkeit von Gejammer zu trennen, und hatte gewusst, dass eine Haft etwas Schlimmes war. Aber ihr war nicht klar gewesen, wie demütigend es war, die Freiheit zu verlieren, oder wie beängstigend, wenn die dicke Stahltür zufiel, ohne dass man wusste, wann sie sich wieder öffnen würde.
    Und plötzlich fiel ihr etwas ein.
    Hunt hatte über sechs Jahre lang so leben müssen.
    Über sechs Jahre lang!
    Er war ins Gefängnis gegangen, obwohl er weder des Drogenhandels noch des vorsätzlichen Mordes schuldig gewesen war. War es ihm damals so ergangen wie ihr jetzt? Hatte er gehofft, dass das Gericht die Wahrheit sehen würde? Wie verraten er sich gefühlt haben musste … und wie entsetzlich allein.
    Sie hatte wenigstens noch ihre Freunde.
    Wir alle werden heute Nacht nur an dich denken, vergiss das nicht.
    Sophie versuchte, sich aufs Atmen zu konzentrieren, sich ein wenig zu entspannen. Alles würde wieder gut werden. Morgen früh würde der Anwalt, den Tessa und Julian ihr besorgt hatten – wie konnte sie ihnen das je zurückzahlen? –, sie hier herausholen. Sie würde Tom erklären, was geschehen war, und tun, was immer nötig war, um zu beweisen, dass sie mit Drogen nichts zu tun hatte, sich einem Bluttest unterziehen, sich an einen Lügendetektor anschließen lassen, auf einen Stapel Lexika schwören, was auch immer.
    Ja, alles würde wieder gut werden.
    Sie war offensichtlich eingeschlafen, denn sie erwachte, als ein Schlüssel ins Schloss geschoben wurde. Ein Adrenalinschub ließ sie auffahren, und sie sah vor dem kleinen Plexiglasfenster eine Gestalt.
    Dann hörte man das Knistern eines Funkgeräts und ein paar verstümmelte Sätze.
    »… suchen dich. Wo bist du denn, verdammt noch mal? … hier in der Psychiatrie. Over.«
    »Shit.« Jemand fluchte leise, sprach dann aber mit normaler Stimme weiter. »Ich muss pinkeln. Was dagegen? Bin gleich wieder da. Over!«
    Pinkeln?
    Wer immer da draußen war, er log. Wer immer es war, wollte nicht, dass jemand wusste, wo er sich befand. Wer immer dort vor ihrer Tür stand …
    Ein eisiger Schauder rann ihr den Rücken herab.
    Vielleicht war der Mann, den Hunt suchte, kein Cop. Vielleicht war er ein Beamter aus dem Bezirksgefängnis von

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