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Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Titel: Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Schreiber
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aus dem fünften Programm weiß ich, weshalb ein Mann seine Frau lieber erwürgt, statt sich scheiden zu lassen – meist geht es um die Lebensversicherung oder
um ihren Geliebten. Und immer wenn einer umgebracht wurde, dann kommt die Spurensicherung. Da will ich später mal arbeiten, so in weißes Plastik gekleidet, eine Frau mit Handschuhen und
vielleicht sogar mit einem Freund, der Narben im Gesicht hat und Kommissar ist.«
    »Du willst zur Kriminaltechnischen Untersuchung!« Er lächelte stolz: »Das ist was anderes, zur KTU gehen die vernünftigen Leute, die Wissenschaftler, mit denen kann
man reden.«
    Nun atmete Annie erleichtert tief durch und fragte ihn: »Wieso hat meine Mutter das gemacht?«
    »Tja«, er kratzte sich am Hinterkopf. »Wie soll ich dir das erklären? Weißt du, der Mensch wird wahnsinnig, wenn ihm regelmäßig einzelne Wassertropfen auf
den Kopf fallen, ohne dass er sich bewegen kann. Man nennt das chinesische Folter. Er stirbt sogar dadurch. Du wirst diese Todesursache, wenn du bei der KTU bist, kaum nachweisen können. Bei
deiner Mutter scheint es sich ähnlich zu verhalten: Jedes kleine Glück, wie zum Beispiel das ihres Vaters mit Ninotschka, tropfte Tag für Tag auf sie drauf und machte sie langsam,
aber sicher verrückt.«
    »Das Glück der anderen ist eine Folter?«
    »Ja, leider. Das Glück des Nachbarn ist kaum auszuhalten.«
    Er seufzte wehmütig, ihm ging offenbar etwas durch den Kopf, er wurde wohl selbst gefoltert.
    »Wollen Sie nicht meine Mutter glücklich machen? Dann kommt sie zurück.«
    Der Apotheker schaute Annie vorwurfsvoll an: »Das hast du schon einmal gefragt. Die Liebe ist doch kein Topf-und-Deckel-Spiel, sondern ein Geheimnis.«
    Es beschämte sie zuzugeben: »Ich hätte Sie gern als Vater.«
    Er schaute sie ruhig an: »Dann, Annie, wären wir zwei nicht befreundet.«
    Sie blickte ihn erstaunt an: »Wieso?«
    »Weil ein Vater die Beziehung zum Kind nicht wählen kann, sie ist ihm regelrecht verordnet. Aber Freundschaften darf man wählen, darum sind wir frei. Wir mögen uns, oder wir
mögen uns nicht.«
    »Und Sie mögen mich?«
    »Ja, das hat sich so entwickelt. Du bist gewitzt, klug, fleißig und mutig, und ich habe mich immer über deine Blumen gefreut.«
    »Könnte es mit der Freundschaft mal vorbei sein?«
    »Natürlich, wenn wir uns nicht mehr gut verstehen und schätzen, lockert sich die Verbindung und zerbricht irgendwann. Aber noch ist sie da. Ich heiße übrigens
Karl.«
    »Soll ich jetzt du zu Ihnen sagen?«
    »Vielleicht später mal, wenn du kein Kind mehr bist.«
    Er schaute sich in der Küche um, es schien ihm hier recht unordentlich zu sein, das Mädchen war mit der Arbeit allein, gelassen, solange der Opa krank war, aber man konnte doch kein
Jugendamt darauf aufmerksam machen, das war ähnlich verwerflich, wie die Polizei zu bitten. Die Dorfgemeinschaft war hier gefragt, und er selbst, um ein Auge auf das Kind zu haben.
    Annie hatte beobachtet, wie er da im Raum stand und nachdachte, sie sagte nun: »Ich hätte so gerne einen Vater.«
    »Steht denn jemand zur Auswahl?«
    »Meine Mutter sagt, es gibt keinen.«
    Der Apotheker runzelte die Stirn: »Ich an deiner Stelle würde gern wissen, wer mich gezeugt hat. Und dann kannst du schauen, ob du Kontakt zu ihm haben willst oder nicht.«
    »Wie ist denn Ihr Vater?«
    Karl lächelte: »Ein sehr netter und kluger alter Herr mit großen Händen, die mich oft gestreichelt haben.«
    »Und wo lebt er?«
    »In Saarbrücken.«
    »Weshalb wohnt er nicht bei Ihnen?«
    »Weil er nicht will. Er lebt zusammen mit zwei Herren und drei Damen.«
    »Im Altersheim?«
    »Gott bewahre, er ist noch fit.«
    »Besuchen Sie ihn denn?«
    »Ja, so oft ich kann.«
    Der Bäcker verriet Annie, ihre Mutter befinde sich inzwischen im Ausland, er habe sie zum Bahnhof gefahren.
    »Wieso haben Sie das gemacht?«, fragte sie ihn zaghaft.
    Der Mann schaute sie verdutzt an: »Na, weil ich einen Bus habe und sie mir dafür Geld gegeben hat.«
    Geld?, fragte sie sich. Woher hatte ihre Mutter das, und weshalb gab sie es immer nur für sich aus? In Annies Mund zog ein bitterer Geschmack auf, als könne sich Missgunst als
sauergrünes Pulver auf die Zunge legen.
    »Sie hat mich gebeten, dir zu sagen, dass sie dich lieb hat und so weiter.«
    Annie starrte den Bäcker an, ihre Lippen zitterten, sie befahl sich, nun bloß nicht zu weinen, eilte zu ihrem Opa und berichtete, was sie erfahren hatte.
    Er schien Nette kaum etwas nachzutragen:

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