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Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Titel: Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Schreiber
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blieben übrig. Annie war bloß
dreizehn Jahre alt, lärmte nicht mehr, brüllte nicht dagegen an, dass ihre Familie verschwunden war. Es nutzte ja doch nichts.

OSTWIND
    E s musste im Jahr davor auf einer Halloween-Feier passiert sein, die Familie war bei einem Freund des Vaters in Cottbus zu Gast, Nachbarn waren
eingeladen, Leute aus der Stadtverwaltung, Wissenschaftler aus dem Ausland und sogar Fußballer und Funktionäre von Energie, wie der Vater sich ausdrückte.
    »Von welcher Art Energie?«, fragte die Mutter im Auto während der Hinfahrt.
    »Ursprünglich Braunkohle.«
    »Und heute?«
    »Na, Fußball natürlich, Energie Cottbus! Der Vater meines Kollegen war dem Verein schon verbunden, als er noch Aktivist Brieske sowieso hieß, ich kenne mich da nicht
aus.«
    Man war ausdrücklich gebeten worden, den Nachwuchs mitzubringen, die Jugendlichen sollten unter sich im Dachgeschoss feiern und dort gemeinsam übernachten.
    Paulas Mutter war skeptisch: »Und wenn was passiert?«
    Das Mädchen wehrte sich: »Was soll schon passieren? Das Haus brennt ab, ein Meteorit schlägt ein? Soll ich denn nie mitmachen dürfen?«
    Die Eltern ließen sich von den Gastgebern beruhigen, professionelle Erzieherinnen seien engagiert worden, drei zuverlässige junge Damen von der alteingesessenen Kita Solidarität .
    Die cleveren Söhne des Hauses hatten besten Wein abgestaubt und den freundlichen Aufpasserinnen mehrere gekühlte Flaschen überlassen. Und tatsächlich hatte der gute Tropfen
deren Toleranzschwelle gewaltig gehoben, sie lärmunempfindlich gemacht und gegen Mitternacht tief einschlafen lassen – mit anderen Worten: Die insgesamt fünfundzwanzig
Jugendlichen konnten in dieser Nacht ihre Freiheit genießen.
    Paula stand zunächst verlegen in der Ecke, beobachtete Mädchen mit grellen Strümpfen, Jungs mit engen Shirts, weiten Hosen und erstem Bartwuchs, die kichernd mit Essen und
Getränken kleckerten. Eine lange rot-weiße Tischdecke war auf den Fußboden gelegt worden, als mache man Picknick im Park, und die jungen Gäste schafften alle Speisen herbei,
die sie unten am Büfett für geeignet hielten: Pommes frites mit Ananas, rohen Schinken mit Mousse au Chocolat, jede Menge Butter, Lasagne, Austern.
    Die Jugendlichen setzten oder legten sich an die Tafel, griffen zu, aßen und balgten herum. Geschirr zersprang, Glas flog in den Abfall, niemand scherte sich drum, kein Lass das und kein Schmatz nicht so . Eine solche Feier unter ihresgleichen hatte Paula noch nicht erlebt: Zwei Jungs tanzten Breakdance, bewegten
sich roboterartig, der eine sprang athletisch auf einer Hand, der andere drehte sich in Pirouetten auf dem Kopf und dem Rücken. Applaus, Johlen und begeisterte Pfiffe des Publikums folgten.
Drei Mädchen spielten Gitarre und sangen. Einer der Jungen, die hier zu Hause waren, holte Paula schließlich freundlich aus der Ecke, zog sie mit und schenkte ihr an der Bar etwas ein.
Sie trank zum ersten Mal Orange mit Wodka. Ein Mädchen mit Nasenpiercing nickte ihr lächelnd zu.
    »Wieso steht so viel Butter auf dem Tisch, eh, also der Decke?«, fragte Paula.
    »Schöne Haare hast du«, antwortete ihr Gegenüber und blieb die Antwort schuldig. »Wo hast’n die Farbe her?«
    »Das ist meine eigene.«
    »Geil, orange, echt cool.«
    Inzwischen aßen alle mit den Händen, fütterten sich gegenseitig, schlürften die Austern nicht, sondern ließen sie in Ausschnitten verschwinden. Schmatzten und
rülpsten, tranken Cocktails, tauchten schließlich ihre Finger tief in die weiche Butter und beschmierten einander damit.
    Paula stockte der Atem: Was sollte dieser Quatsch, was würde mit ihren Sachen passieren? Die Jeans verdreckt, verklebt, die Haare dazu. Das tut man nicht, Schweinerei, hörte sie sich
selbst. Sie klang mit ihren Einwänden schon so wie ihre penible Mutter, deren Vorhaltungen wollten einfach nicht aus ihrem Kopf verschwinden. Umso heftiger widersprach Paula nun der
störenden Stimme, der leichte Schwips half ihr dabei: Wenn das Fett nicht rausgeht, wasch ich mir halt die Haare, werf die Klamotten weg. Bin ich blöde und mache hier wieder nicht
mit?
    Die Mutterstimme blieb weiter gegenwärtig, bat sie nach unten in ihre Obhut. »Leck mich!«, raunzte Paula.
    Die Heizung war hoch eingestellt, bald tanzten die Jungen mit bloßem Oberkörper und die Mädchen im BH , die Türen zu den unteren Stockwerken wurden zugesperrt, die Musik
immer lauter, alle lachten oder kreischten, tanzten und tranken

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