Süße Fesseln der Liebe
Vergnügen gewesen wäre, ihren Neffen für längere Zeit während der Saison zu beherbergen. Aber als Junggeselle brauchte er seinen eigenen Haushalt.
Mit einem Kopfnicken bedankte er sich beim Butler, der ihm die Tür geöffnet hatte, trat ein und eilte sofort hinauf in sein altmodisch eingerichtetes Schlafzimmer. Ein Feuer brannte im Kamin, die Lampen waren angezündet worden. Greville genoss diese Annehmlichkeiten, die sich ihm während seiner Einsätze kaum boten, ging zum Fenster und zog den Vorhang beiseite. Auf der Straße waren bereits die Gaslampen angezündet worden, und eine Kutsche rumpelte vorüber. Sein Besitzer - oder seine Besitzerin - war bestimmt auf dem Weg zu irgendeinem Abendvergnügen, wenn nicht zu einem rauschenden Fest.
Das war nicht seine Welt, war nie seine Welt gewesen, was auch für Frederick Farnham galt. Aber Fredericks Frau hatte deutliche Hinweise darauf gegeben, dass sie perfekt in diese Kreise hineinpasste. Nicht seine Frau, mahnte er sich, seine Witwe.
Blinzelnd schaute er in das flackernde gelbe Licht der Lampe unter seinem Fenster. Frederick hatte oft von Aurelia erzählt … Ellie hatte er sie immer genannt. Ganz besonders an jenem Abend, als sie einen Krug Apfelwein in einer Scheune in der Bretagne geleert hatten, während sie dem Lärm ihrer Verfolger lauschten, den bellenden Hunden, dem feindlichen Geschrei, das schließlich in der dunklen Nacht verklang.
Hör mal, Greville … Ich glaube nicht, dass Ellie weiß, wer sie wirklich ist. Oder wozu sie in der Lage ist. Sie besitzt Stärken, von denen sie selbst keine Ahnung hat.
Greville ließ den Vorhang wieder vor das Fenster gleiten. Sein Freund hatte noch mehr erzählt, und seine Stimme hatte wehmütig geklungen, weil ihm klar war, dass die Chancen, seine Frau jemals wiederzusehen, äußerst gering waren. Die beiden waren gemeinsam im selben Dorf aufgewachsen, und die benachbarten Familien waren eng miteinander verbunden, wie immer bei den adligen Familien auf dem Lande, die in der Gegend herrschten. Ihre Heirat war ganz selbstverständlich gewesen. Sie hatten damit die Erwartungen beider Familien erfüllt. Aber Frederick Farnham hatte irgendetwas in seiner Frau entdeckt, was niemand außer ihm bisher gesehen hatte. Dann war er dem Ruf seines Landes gefolgt, obwohl ihm voll und ganz bewusst gewesen war, dass er niemals wieder ein normales Leben würde führen können und niemals die Gelegenheit bekommen würde, die Abgründe in der Seele seiner Frau zu erforschen. Frederick hatte nicht viele Worte darüber verloren. Aber trotzdem hatte er es mit jedem Wort zu verstehen gegeben, das er über sie gesprochen hatte.
Wie würde er sich wohl gefühlt haben, wenn er geahnt hätte, dass sich während seiner Abwesenheit ein anderer Mann um sie kümmerte?
Der Gedanke war erschreckend. Langsam dämmerte es Greville, dass er irgendwo im hintersten Winkel seines Kopfes aufgekeimt war. Und zwar genau dort, wo er, oft ohne jede Absicht, Pläne und Strategien für seine neuesten Aufträge ausbrütete. Für seinen gegenwärtigen Auftrag brauchte er eine Tarnung, musste eine zuverlässige Fassade aufbauen.
Falls Aurelia wirklich unbekannte Stärken und Fähigkeiten besaß, jene verborgenen Abgründe, an die ihr Ehemann geglaubt hatte, dann wäre sie vielleicht einverstanden, ihm zu helfen. Wenn er seine Anfrage nur geschickt vorbrachte … wenn er nur die rechte Belohnung versprach. Natürlich hatte sie ihm am Nachmittag den Eindruck vermittelt, als würde sie ihn ganz und gar nicht schätzen. Aber das war kaum überraschend. Denn schließlich hatte er ihr erklärt, dass sie in den vergangenen drei Jahren mit einer Lüge gelebt hatte und dass in dem Mann, mit dem sie verheiratet gewesen war, ein ganz anderer steckte als der, den sie immer in ihm gesehen hatte. Es war nur natürlich, dass sie dem Boten der schlechten Nachricht an die Kehle springen wollte. Aber der erste Eindruck konnte wettgemacht werden. Und die rechte Belohnung würde sich finden.
Greville wusste, dass er kein geborener Charmeur war. Wenn es um Flirts und Schmeicheleien ging, waren seine Fähigkeiten nicht besonders entwickelt. Oh, im Interesse seiner Arbeit und wenn das Überleben es erforderlich machte, konnte er natürlich in jede Rolle schlüpfen; aber das half ihm in seiner gegenwärtigen Lage nicht weiter. Aufrichtigkeit …
Er musste unmittelbar an ihren Charakter appellieren, an ihre innere Natur, die sowohl ihr selbst als auch ihren Mitmenschen verborgen
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