Süße Fesseln der Liebe
geblieben war. Es musste ein Appell sein, der durch das Beispiel ihres Ehemannes genauso bestärkt wurde wie durch das Beispiel anderer adliger Frauen mit diplomatischen und geselligen Fähigkeiten, die ihr Haus dem Dienst am Vaterland zur Verfügung stellten. Nein, es war beileibe kein seltsamer Vorschlag. Und es könnte sogar sein, dass sie ihn annahm.
Aurelia saß im Schlafzimmer am Kamin und hielt den entfalteten Brief in ihren Händen, während der Blick über die flackernden Flammen schweifte. Im Haus war es ruhig. Morecombe, seine Frau und seine Schwägerin hatten sich längst in ihre Wohnungen zurückgezogen, und auch der übrige Haushalt hatte sich zur Ruhe begeben. Franny lag schlafend im Kinderzimmer, Daisy hielt sich in ihrem eigenen kleinen Zimmer direkt nebenan auf und hatte die Tür nur leicht angelehnt, falls das Kind in der Nacht erwachte.
Aurelia hatte den Brief bereits dreimal gelesen, glaubte schon, ihn auswendig zu kennen, ohne dass sie ihn begriffen hatte. Oh, die Worte waren nicht schwer zu verstehen - anders als der Mann, der sie geschrieben hatte, anders als die Tatsache, dass dieser Frederick Farnham offenbar nicht der Mann gewesen war, den sie geheiratet und dessen Kind sie geboren hatte. Sie konnte sich gut erinnern, wie überglücklich er bei Frannys Geburt gewesen und draußen vor der Kammer auf und ab marschiert war, während seine Frau drinnen die ganze Nacht hindurch in den Wehen gelegen hatte. Wieder ging ihr durch den Kopf, wie er sein Baby in die Arme genommen, wie er mit feuchten Augen auf das Bündel hinabgeblickt hatte, voller Ehrfurcht und Verwunderung. Nein, es konnte nicht sein, dass dieser Mann alles aufgegeben und Frau und Kind beiseitegeschoben hatte, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, was er tat.
Meine liebste Ellie,
wenn du diese Zeilen liest, wird es bedeuten, dass ich tot bin. Ich habe diesen Brief schon vor vielen Monaten geschrieben, damals, als mir klar wurde, dass ich - um es vorsichtig auszudrücken - wahrscheinlich nicht überleben werde. Es ist schwer zu erklären, wie ich dazu gekommen bin, das zu tun, was ich jetzt tue. Es ist noch schwerer zu erklären, wie sehr es mich schmerzt zu wissen, dass ich dich verletzt habe. Aber ich kann nichts tun, deinen Schmerz zu lindern. Bitte versuch mich zu verstehen. Ich weiß auch, dass du ärgerlich sein wirst, und darin kann ich sogar einigen Trost finden. Dein Ärger ist leichter zu ertragen als dein Schmerz.
Bitte versuch zu verstehen. Versuch zu verstehen, wie mächtig der Befehl des Vaterlands ist, der einen Mann dazu treibt, für sein Land zu kämpfen. Bonaparte muss aufgehalten werden, bevor er den gesamten Kontinent unterwirft. Und sei versichert, dass er sich mit dem Kontinent nicht begnügen wird. Er hat seinen Arm schon nach Indien und auf die Handelswege ausgestreckt, und es scheint, als könne nur England ihm inmitten schwankender Verbündeter mit fest geschlossenen Reihen entgegentreten. Solange es ihm nicht gelingt, unsere Insel zu erobern, können wir gegen ihn kämpfen. Und wir werden ihn besiegen. Kurz nachdem ich mit Stephen in See gestochen war, um Admiral Nelsons Flotte an der französischen Küste zu unterstützen, bin ich Colonel Sir Greville Falconer begegnet. Er hat sich unserer Fregatte kurz hinter Gibraltar angeschlossen. Diese Begegnung hat mein Leben verändert. Greville ist mein bester Freund und engster Kollege geworden. Er ist, um es rundheraus zu sagen, ein Meisterspion, und er hat mich angeworben. Ich kann nur hinzufügen, dass ich nach irgendetwas auf der Suche war, ohne zu wissen, worum es sich handelte, bis er mir das Angebot gemacht hat. Ich wollte der strengen Hierarchie entkommen, der Härte der Kriegsmarine entfliehen, wollte Schlachten schlagen, aber mit meinem scharfen Verstand. Ich wollte mich im Dreck vergraben, an vorderster Front gegen den Feind kämpfen, ohne dass ich es auf Ruhm und Ehre abgesehen hatte. Meine Liebste, ich habe keine Ahnung, wie ich es sonst erklären soll, dass Grevilles Angebot mich wie magisch angezogen hat. Ja, ich fühlte mich wie magisch zu ihm hingezogen, und wenn du ihn kennenlernst, wirst du mich verstehen. Ich hoffe, dass er es überleben wird, welches Ereignis auch immer für meinen Tod verantwortlich sein wird; es ist das Ereignis, das dazu geführt hat, dass du jetzt diesen Brief liest. Denn ich weiß, dass er, wie er es mir versprochen hat, dich aufspüren wird. Er ist der Einzige, dem ich es anvertraue, dir mein Geheimnis zu
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