Süße Fesseln der Liebe
überbringen. Ein Geheimnis, meine Liebe, das du für mich bewahren musst. Du darfst niemandem von diesem Brief berichten, mit niemandem das Wissen teilen, das du jetzt besitzt. Sir Greville Falconers wahre Identität ist nur wenigen Leuten bekannt. Wenn es an die Öffentlichkeit dringt, würde es nicht nur seinen sicheren Tod bedeuten, sondern auch den anderer Menschen. Ich kann es gar nicht genug betonen, meine Liebe. Es stehen zu viele Menschenleben auf dem Spiel, das Leben meiner Freunde, meiner Kollegen aus vergangenen und gegenwärtigen Zeiten, falls Grevilles wahre Identität und meine Tätigkeit der letzten drei Jahre ans Tageslicht gezerrt werden. Er selbst wird es dir noch einmal erklären. Vertrau ihm, Ellie. Du kannst ihm sogar dein Leben anvertrauen. Er wird dich beschützen, wie ich es nicht länger vermag. In den letzten Jahren habe ich viele Frauen kennengelernt, die Seite an Seite mit ihren Männern gekämpft und ihr Leben im Kampf gegen Bonaparte gegeben haben. Die stärkste Waffe in ihrem Kampf war ihr Verstand, und sie haben ihn so gut wie die Männer benutzt. Um aufrichtig zu sein, mein Leben ist mehr als einmal durch den schnellen Verstand und die Tapferkeit solcher Frauen gerettet worden, die all ihr Vertrauen in Greville Falconer gesetzt und es niemals bereut haben. Abschließend kann ich dir nicht oft genug mein Bedauern darüber ausdrücken, meine Liebe, dass ich dich gezwungermaßen so sehr täuschen musste. Ich kann nur beten, dass du eines Tages die Not verstehen wirst, die mich dazu getrieben hat, so zu handeln, wie ich gehandelt habe. Ich möchte dich bitten, Franny gegenüber freundlich über mich zu sprechen. Das Herz tut mir weh, wenn ich daran denke, dass ich es nicht erleben werde, wie sie zur erwachsenen Frau heranreift. Aber ich habe eine Entscheidung getroffen und muss nun mit den Konsequenzen leben. Ich hoffe, dass du wieder heiraten wirst, wenn es dein Wunsch ist, und dass du die Erfüllung in deinem Leben finden wirst, wie ich sie in meinem Leben gefunden habe. Ich gebe mein Leben aus freien Stücken im Dienst für mein Vaterland, obwohl ich nicht gern sterbe. Es ist noch so viel Arbeit zu erledigen, die ich nun anderen überlassen muss. Dir, Ellie, sende ich meine unsterbliche Liebe. Und denke freundlich an mich zurück, wenn es dir möglich ist.
FF.
Aurelia bemerkte, wie ihre Tränen auf das Papier tropften und die Tinte verschmierten. Einen Moment lang erfüllte der Gedanke sie mit Zufriedenheit, dass ihre Tränen die Worte auslöschen - oder sie doch so gründlich zum Verschwinden bringen konnten, wie ihr Ehemann aus ihrem Leben verschwunden war. Frederick hatte ihretwegen keine Träne geweint. Er hatte gehandelt, wie seine Entscheidung es von ihm verlangt hatte, hatte die Folgen für sich selbst akzeptiert, ohne allerdings nur einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden, ob andere von seiner Wahl ebenfalls betroffen waren. Plötzlich schob sie den Brief beiseite, brachte ihn auf dem kleinen, runden Tisch neben sich in Sicherheit.
Sie stand auf und marschierte in dem sanft beleuchteten Zimmer auf und ab, hatte die Arme um den Oberkörper geschlungen und ließ den Tränen freien Lauf. Inzwischen waren es Tränen der Wut geworden. Natürlich, Vaterlandsliebe war eine gute Sache, besonders in Kriegszeiten. Fredericks Tod auf dem Schlachtfeld hätte sie ohne Schwierigkeiten akzeptieren können. Aber jetzt … Es war zu viel, um es noch hinnehmen zu können. Was wäre geschehen, wenn er nicht gestorben wäre? Wäre er am Ende des Krieges in aller Seelenruhe zu ihr nach Hause zurückgekehrt? Wäre er auf der Türschwelle erschienen, mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen wie der verlorene Sohn, der buchstäblich aus dem Nichts wieder auftauchte? Wäre er bereit gewesen, erneut in seine Rolle als Vater und Ehemann zu schlüpfen … bis ihn wieder die Langeweile packte? »Strenge Hierarchie« hatte er es genannt … Hätte er nach einiger Zeit beschlossen, sich in das nächste Abenteuer zu flüchten?
Wie hätte sie das akzeptieren sollen? Was, wenn sie Cornelias Beispiel gefolgt wäre und wieder geheiratet hätte? Welche Rolle hätte Frederick dann in ihrem Leben übernommen?
Oh, es war zu absurd. Es war schlichtweg beleidigend, daran zu denken, dass sie auf solch niederträchtige Weise betrogen worden war.
Welche Macht musste dieser Greville Falconer über Frederick ausgeübt haben, dass er ihn zu solchem Verhalten überreden konnte? Zu einem Verhalten, das
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