Süße Fesseln der Liebe
seinem Charakter völlig fremd war … diesem offenen, aufrichtigen und ehrlichen Mann, für den sie ihn gehalten hatte? Es musste einen Grund geben, dass Frederick wie das Schaf zur Schlachtbank marschiert war. Hatte Falconer ihn mit irgendeiner beschämenden Wahrheit erpresst? Vielleicht hatte er ihn sogar bestochen … Nein, nein, das war undenkbar.
Aurelia stützte sich mit der Hand auf den Kaminsims und starrte in das Feuer, als könne sie die Antwort auf ihre Fragen an den tanzenden Flammen ablesen. Langsam gewöhnte sie sich daran, dass Frederick ihr selbst eine Erklärung gegeben hatte, so undenkbar diese auch war. Greville Falconer hatte seine Saat auf fruchtbaren Boden ausgebracht. Bestimmt hatte man ihn geschult, solch fruchtbaren Boden zu erkennen, und in Frederick hatte er eine Möglichkeit gewittert. Er hatte gesehen, was sonst niemand gesehen hatte … was Aurelia sich immer noch nicht vorstellen konnte, wenn sie sich an den Mann erinnerte, der einmal ihr Ehemann gewesen war. Und ganz bestimmt besaß dieser Greville Falconer Überredungskünste, die sie in ihrer kurzen Begegnung am Nachmittag nicht hatte erkennen können.
Sein Gesicht schien sich in den bläulichen Flammen und der orangeroten Glut des Feuers zu formen. Wieder hatte sie das Gefühl, dass er sie unverwandt aus den grauen Augen unter den dichten, schwarzen Brauen anstarrte. Die Haltung des Mannes war außergewöhnlich gewesen; nur schwer würde sie ihn vergessen können. Außerdem hatte seine Persönlichkeit irgendetwas Zwingendes an sich, wirkte so mächtig wie seine körperliche Erscheinung. Natürlich würde sie niemals zugeben, dass er sie in ihren eigenen vier Wänden eingeschüchtert hatte. Aber sich selbst musste sie eingestehen, dass sie seinen Anweisungen nichts entgegengesetzt hatte. Hatte Frederick sich ebenso unwiderstehlich gezwungen gefühlt, als der Colonel ihn rekrutiert hatte?
Nun, es würde eine Weile dauern, bis sie Greville Falconer aufsuchen würde. Wahrscheinlich war die Angelegenheit für ihn ohnehin schon erledigt, nachdem er den Brief sicher übergeben hatte, was auch immer er enthalten mochte.
Aber dann erinnerte Aurelia sich an seine letzten Worte. Sie hatte ihm erklärt, dass sie ihn niemals wiederzusehen wünsche. Und was hatte er erwidert? Ich hoffe sehr, Ma'am, dass Sie Ihre Auffassung noch ändern werden.
Was, um alles in der Welt, hatte das nun wieder zu bedeuten? Er hatte angekündigt, dass er sie am nächsten Vormittag erneut aufsuchen wolle. Nun, sie war nicht verpflichtet, irgendjemanden zu empfangen, den sie nicht zu sehen wünschte. Sie durfte ihm sogar den Zutritt verweigern. Schließlich war es ihr Haus … jedenfalls für eine gewisse Zeit. Ihr Haus, ihr Schloss. Es war ihre Entscheidung, die Zugbrücke hochzuziehen.
Aber wenn sie sich dazu entschloss, würde sie sich jeder Möglichkeit berauben, Frederick zu verstehen … zu verstehen, was ihn zu diesem außerordentlichen Opfer bewogen hatte.
Sorgfältig faltete Aurelia den Brief ihres Mannes zusammen und verschloss ihn in ihrem Schmuckkasten. Sie war überzeugt, dass das Schreiben Botschaften enthielt, die sie noch nicht entziffert hatte. Dann löschte sie die Kerzen auf dem Kaminsims und kletterte ins Bett, lehnte sich an die spitzenbesetzten Kissen, die sie sich in den Rücken gestopft hatte. Sie beugte sich zur Seite, blies die Kerze auf dem Nachttisch aus und betrachtete das Kaminfeuer, dessen schattiger Widerschein an der Zimmerdecke flackerte.
Aurelia fühlte sich einsamer als je zuvor … einsamer noch als vor drei Jahren, als man sie über den vermeintlichen Tod ihres Mannes bei der Schlacht bei Trafalgar informiert hatte. Damals hatte sie mit Cornelia gemeinsam getrauert, hatte mit ihr gemeinsam dem grausamen Schicksal ins Auge geblickt. Wenn sie Fredericks Bitte nachkam, war es ausgeschlossen, dass sie ihre beste Freundin ins Vertrauen zog. Es gab niemanden, mit dem sie ihre zweifache Trauer teilen durfte: den erneuten Verlust ihres Ehemannes, aber auch den Verlust des Vertrauens, das sie in ihn gesetzt hatte - und in das Leben, das sie geteilt hatten.
3
Am nächsten Morgen um sechs Uhr in der Früh ritt Greville allein durch den Park. Abgesehen von ein paar Gärtnern, die planlos im Gebüsch herumwirtschafteten, war niemand zu sehen. Er lockerte die Zügel und ließ das gemietete Pferd auf dem breiten sandigen Pfad neben dem gepflasterten Rundweg für die Kutschen frei laufen.
Den vergangenen Abend hatte er damit verbracht,
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