Sueße kleine graue Maus
Sein Mund wirkte sehr sinnlich.
»Mögen Sie ein Glas Sherry?« Rana hob die geschliffene Kristallkaraffe.
»Das meinen Sie doch nicht ernst!«
Sie stellte sie wieder hin.
»Gibt es hier kein kühles Bier?«
»Ich glaube nicht, daß Ruby Bier in ihren Vorräten hat.«
»Aber der Whisky geht ihr sicher nie aus, oder?«
Er grinste bei seinen Worten.
Rana errötete. »Ich ...«
»Kommen Sie, Miss Ramsey. Sie können's mir ruhig erzählen. Ich gehöre zur Familie.« Er beugte sich vor, so weit vor, daß sein Gesicht nur noch ein paar Zentimeter von ihrem entfernt war.
»Genehmigt sich die alte Dame immer noch ihren Bourbon?«
Bevor Rana überlegen konnte, was sie darauf antworten sollte, erschien Ruby mit einem vollbeladenen Teewagen in der Küchentür. »So, meine Lieben. Ihr seid sicher schon halb verhungert, aber die Brötchen brauchten noch ein paar Minuten im Backofen.«
Trent mußte immer noch darüber lachen, wie schockiert Rana wegen seiner Bemerkung wirkte.
»Trent, hör mit dem einfältigen Gekicher auf«, schalt Ruby. »Du bist immer schon ein unartiges Kind bei Tisch gewesen und hast dich ohne Grund halbtot gelacht. Setz dich gerade hin, bitte, und mach dich nützlich. Du kannst den Braten schneiden. Miss Ramsey möchte ihr Fleisch gut durchgebraten, und gib ihr ein großes Stück, auch wenn sie protestiert. Ich habe es geschafft, ihre mageren Knochen ein wenig aufzupolstern, aber sie hat's immer noch nötig. Ach, Kinder, ist es nicht nett?« Strahlend sank Ruby auf ihren Stuhl. »Das wird so gemütlich, wenn wir drei jetzt immer zusammen essen.«
Rana bemühte sich, Trents abschätzende Blicke, wieviel Polster ihre dünnen Knochen wohl noch vertragen könnten, zu ignorieren, und fragte sich, ob es wohl zu auffallend wäre, wenn sie darum bitten würde, ihr von nun an ihre Mahlzeiten in ihrem Apartment zu servieren.
Trent hatte einen gesegneten Appetit. Ruby füllte ihm immer wieder den Teller, bis er ergeben die Hände hob. »Bitte, Tante Ruby, nicht noch mehr. Ich werde zu dick.«
»Quatsch. Du mußt noch wachsen, Junge. Ich kann dich doch so nicht ins Sommerlager schicken.«
Rana verschluckte sich an einem Stück Kartoffel und trank schnell einen Schluck Wasser. Ihre Augen tränten, aber es gelang ihr, die Tränen wegzuwischen, ohne die Brille abzunehmen.
»Geht's Ihnen gut, meine Liebe?« fragte Ruby besorgt.
»Gut, ja«, hustete Rana. Als sie sich etwas erholt hatte, sah sie Trent an. »Sind Sie nicht ein bißchen zu alt für ein Sommerlager?«
Ruby und Trent fanden ihre Frage ausgesprochen witzig und lachten herzlich. »Football-Sommerlager«, erklärte Ruby. »Habe ich Ihnen noch nicht erzählt, daß Trent Profispieler ist?«
Überrascht legte Rana ihre Serviette in den Schoß.
»Ich glaube nicht.«
»Er spielt bei den Houston Mustangs.« Ruby strahlte vor Stolz und legte ihre Hand auf den muskulösen Arm ihres Neffen.
»Und er ist ein wichtiges Mitglied der Mannschaft. Der Quarterback, der entscheidende Spieler beim Angriff.«
»Ach so.«
»Mögen Sie Football nicht, Miss Ramsey?« bohrte Trent. Er war ein wenig gekränkt, daß sie ihn nicht gleich erkannt hatte. Und weil es sie auch nicht besonders zu beeindrucken schien, daß sie mit einem Mann an demselben Tisch saß, den einige Sportredakteure als den besten Quarterback im Profifootball seit Starr und Staubach bezeichneten.
»Ich kenne mich da nicht aus, Mr. Gamblin. Aber jetzt weiß ich schon mehr.«
»Und was?«
»Daß die Spieler ins Sommerlager fahren.«
Trent grinste. Diese Miss Ramsey schien zumindest Humor zu haben. Vielleicht würden die nächsten Wochen ja doch nicht so langweilig. Tatsächlich konnte er sich an kein Essen erinnern, bei dem er sich so entspannt gefühlt hatte wie an diesem Abend. Seine Tante brauchte er nicht mehr zu beeindrucken; sie hielt ihn sowieso für einen Halbgott. Und vor Miss Ramsey brauchte er auch keine Schau abzuziehen. Zum ersten Mal seit Jahren konnte er sich in Gesellschaft von Frauen ganz natürlich verhalten. Und das tat ihm gut.
»Was macht deine Schulter, Trent?« fragte Ruby und wandte sich dann erklärend an Rana. »Er hat eine Verletzung, die schlecht heilt. Seine Schulter ist verrenkt.«
»Ausgerenkt, Tantchen. Meine Schulter war ausgerenkt.«
»Entschuldige, dann eben ausgerenkt. Sein Arzt hat ihm geraten, sich aus allen Aktivitäten herauszuhalten, so daß seine Schulter bis zum Trainingscamp ausgeheilt ist. Aus diesem Grund hat er alle seine Freunde und Bekannten
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