Süße Küsse nur aus Rache?
…
Entsetzen durchflutete sie. „O… okay“, brachte sie mühsam heraus.
„Gut so.“ Lächelnd strich er mit der flachen Seite der Klinge über ihre Wange. „Wäre doch schade, wenn ich dir einen Schnitt verpassen müsste. Ohne bist du viel mehr wert. Also, wie viel bringst du mir?“
„Hun… hundert“, sagte sie zitternd.
Mike stieß ein hässliches Lachen aus. „Willst du mich für dumm verkaufen? Bring mir einfach alles, okay? Die Kohle, die Klunker – alles, womit er dich bezahlt. Und versuch nicht, mich reinzulegen. Ich beobachte dich. So, wie immer. Jeden Schritt von dir, Baby, jeden Schritt.“
So schnell, wie das Messer aufgetaucht war, war es wieder verschwunden. Er setzte seinen Helm auf und stieg auf sein Motorrad. Zitternd stand Kat auf dem Gehsteig. Noch einmal drehte Mike sich um und grinste sie an, die Augen wie dunkle Höhlen.
„Wie ich schon sagte, wäre doch eine Schande, schöne Frauen zu entstellen. Aber …“ Er seufzte. „Manchmal kapieren sie’s einfach nicht. So, wie deine Freundin Katya. Sie wollte sich für die Freier nicht flachlegen. Jetzt würde nicht mal ein Blinder sie noch haben wollen.“ Sein Lachen klang genauso krank wie das, was er gesagt hatte. Er ließ den Motor an und verschwand mit lautem Getöse.
Irgendwie schaffte Kat es zu ihrer Einzimmerwohnung, obwohl sie entsetzlich zitterte. Dort angekommen zog sie ihr Handy heraus. Als Katya am anderen Ende das Gespräch annahm, klang sie verzweifelt.
„Es tut mir leid“, sagte sie immer wieder. „Es tut mir leid. Er hat mir schon gedroht, als ich dich für die Fotomappe zu ihm gebracht habe. Seither ist er hinter dir her. Tu, was er sagt, Kat! Ganz egal, was er verlangt. Fotos, Geld, Männer – tu es einfach! Sag nicht Nein zu ihm. Hörst du, Kat, sag nicht Nein zu ihm.“ Kat spürte Katyas Entsetzen, das dem ihren in nichts nachstand.
„Oh Gott“, wisperte sie. „Was hat er getan?“
Eine Weile herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung. Dann sagte Katya: „Er hat mir in die Brüste geschnitten, immer wieder. Überall.“
4. KAPITEL
Kat war ruhig – sehr ruhig. Sie hatte keine andere Wahl, sonst wäre sie in Hysterie ausgebrochen. Sie wusste, was sie tun musste. Die Polizei zu verständigen war sinnlos. Denn sollte sie nicht rund um die Uhr bewacht werden, würde Mike sie überall aufspüren. Er würde sie jagen, belästigen, bedrohen. Also musste sie ihm das Geld geben, das er verlangte.
Sobald sie den Vertrag für die Werbeaufnahmen in Monte Carlo unterschrieben hatte, würde sie sich einen Vorschuss geben lassen, um damit nicht nur für ihre eigene Sicherheit zu sorgen, sondern auch zu veranlassen, dass Mike wegen seines Angriffs auf Katya zur Rechenschaft gezogen würde. Sicher würde sie doch wohl genügend Geld bekommen, um sich Mike fürs Erste vom Hals zu halten?
Auf schnellstem Weg hastete sie zu der Agentur.
Anita saß am Empfang, ein selbstzufriedenes Schmunzeln auf den Lippen. „Da bist du ja, Schätzchen. Hab schon versucht, dich zu erreichen. Wegen Monte Carlo.“ Sie lächelte süßlich. „Sie wollen dich jetzt doch nicht.“
Kat hörte zwar die Worte, aber sie ergaben keinen Sinn. „Was soll das heißen?“ Ihre Stimme klang hohl.
„Das soll heißen, dass sie dich doch nicht mehr wollen“, wiederholte Anita und verzog den Mund. „Sie legen ja wohl besonderen Wert auf ‚Klasse‘, und da hast du doch kaum etwas zu bieten, nicht wahr?“
„Aber ich habe den Job doch schon“, hörte Kat sich wie aus weiter Ferne sagen.
Anita lachte, ein schriller Ton. „Zu schade“, säuselte sie.
Zu schade – diese zwei Worte schwirrten Kat immer wieder durch den Kopf, als sie die Agentur verließ und ihre Füße sie durch die geschäftigen Londoner Straßen trugen. Sie spürte die Angst, die ihr den Nacken hinaufkroch, erinnerte sich an das böse Funkeln in Mikes Augen, die scharfe Klinge, mit der er Katyas Brüste verunstaltet hatte …
Ich muss diesen Job haben. Das ist die einzige Chance, mir Mike vom Leib zu halten. Ich muss ihn zurückbekommen. In Panik ging sie weiter, von kaltem Abscheu erfüllt. Angelos Petrakos hatte sie also doch fallen lassen – und sie wusste genau, warum.
Ich bin selbst schuld. Er hat mich gewarnt, aber ich konnte ja meinen Mund nicht halten. Deswegen hat er mich wieder abgezogen. Nur deswegen! Aber ich verstehe das trotzdem nicht. Gestern die Zusage und jetzt das! Wie kann er nur so schnell seine Meinung ändern? Ich verstehe das
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