Sueße Prophezeiung
Ihr ihm beiliegen. Aber er ist schon zu lange fort, nicht wahr, du Hexe? Warum willst du auf einen barbarischen Schotten warten, wenn du meine Gefährtin sein könntest?« Latimer trat näher, zu nah. Gefahr lag in seinem Blick. Er schien einen schmalen Grad überschritten zu haben. »Liegt mir bei«, wiederholte er mit leiser, heiserer Stimme – nahm nichts anderes mehr wahr als die liebliche Avalon.
Schau, lockte die Chimäre, jene andere Gefahr. Siehe ...
Gegen ihren Willen drang sie für einen Moment in Latimers Geist ein. Die Heftigkeit seiner Emotionen vereinnahmte sie in der schon vertrauten und gefürchteten Weise: diese auf sie einstürmenden Gefühle, der verwirrende Kontakt. Die verfluchte Chimäre in ihr übernahm die Führung und öffnete das Tor ...
Schau ...
Und sie spürte sein tiefes Verlangen, seine Angst und noch mehr Gier. Scham. Sie versuchte, die Bilderflut, die seinen Geist erfüllte, zu verdrängen. Doch sie sah die Frau, die nur ein Laken bedeckte, und den Mann, der auf ihr lag und Dinge mit ihr tat. Und Avalon sah, dass sie die Frau war und er der Mann ... dann vermischten sich diese Bilder mit etwas Dunklerem, Rauch und Fleisch und Speisen – etwas Bitterem. Er schämte sich so, dass es ihn verschlang ...
Lippen, Dunkelheit, Geschmack-Berührung-Verlangen-HexeFurchtLippenBettGeschmack ...
Latimer kam von diesem gefährlichen Ort zurück und sie mit ihm – völlig benommen. Ohne auf ihre Zuschauer zu achten, streckte er die Arme aus. Doch ehe er wieder nach ihr greifen konnte, übernahmen ihr Instinkt und jahrelanges Training die Führung.
Avalon riss ihre Rechte hoch und ergriff seine, wobei sie ihren Daumen auf seinen Handrücken legte und sein Handgelenk nach hinten verdrehte, als sie einen Schritt nach vorn tat. Sie zog seine Hand nach unten zwischen ihre Körper in die Falten ihrer Röcke, sodass sie für alle anderen verborgen war. Die Linke legte sie an seinen Ellbogen, er vermochte sich nicht zu rühren. Das alles geschah im Bruchteil eines Herzschlags.
Jetzt warf sie ihm ein strahlendes Lächeln zu, das den Anschein erweckte, er hätte ihr gerade irgendwelchen romantischen Unsinn zugeflüstert, der sie näher zusammenrücken ließ.
Angesichts des unerwarteten Schmerzes riss Latimer die Augen weit auf. Avalon hielt ihn fest; er konnte sich deshalb nicht bewegen, weil sie gerade genug Druck ausübte, um ihn wissen zu lassen, dass sie ihm gegebenenfalls wirklichen Schmerz zufügen würde.
Sie hörte, wie am anderen Ende des Raumes das Geraune einsetzte und ihr Name immer lauter geflüstert wurde.
»Hört mir gut zu«, sagte sie und sprach dabei so leise wie möglich. »Es ist keine Hexerei, die mich erkennen lässt, dass Ihr schlaflose Nächte verbringt. Wenn mir je zu Ohren kommen sollte, dass Ihr noch einmal meinen Namen damit in Verbindung bringt, könnt Ihr versichert sein, dass Euch das sehr Leid tun wird, Mylord! Es ist keine Hexerei, die Eure Hand gerade festhält, sondern Fleisch und Blut. Sind meine Worte deutlich genug, Mylord?«
Er blickte um sich und dann wieder zu ihr, wobei er die Zähne bleckte. »In der Tat!«
»Hervorragend! Als Gegenleistung für Eure Einsicht will ich Euch einen Gefallen erweisen, Lord Latimer. Wisset, mir ist zu Ohren gekommen, dass Ihr Gefallen daran findet, einen höchst ungewöhnlichen Pilz zu verspeisen, und dass Ihr Euch das mit einigen Freunden zur Gewohnheit habt werden lassen. Ich mag zwar nicht Eure Freundin sein, Nicholas, aber sie sind es auch nicht. Ich wünsche Euch nichts Böses. Glaubt mir, diese Pilze, nach denen es Euch gelüstet, verursachen Eure Träume. Lasst ab von ihnen und Ihr werdet besser schlafen.«
Sie ließ seine Hand los. Er riss sie zurück und rieb sich das Gelenk.
»Ich wünsche Euch wahrlich nichts Böses«, wiederholte sie.
Eilig entfernte Nicholas sich. Er verschwand geradewegs in der Schar von Leuten, die sich versammelt hatte, um sie zu beobachten und hitzige Spekulationen anzustellen. Der Kreis öffnete sich und nahm ihn auf. Sie waren höchst begierig auf die Anfänge eines neuen Skandals.
Avalon wusste mit absoluter Sicherheit, dass gleich die Hölle losbrechen würde.
1
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Trayleigh, England, September 1159
Die Kavalkade, die sich der Burg näherte, war aus mehreren Gründen bemerkenswert: das kühne und unverwechselbare, leuchtend rote, grüne und weiße Wappen der d’Farouche; die mindestens vierzig Männer der Eskorte, Soldaten mit glänzenden Schwertern und stolzen Rössern. Die
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