Sueße Prophezeiung
strich und ihr Haar streichelte.
»Es war Furcht einflößend«, fuhr er fort. »Ich hätte vor Angst gezittert, wenn ich die Kraft dazu gehabt hätte. Aber auch war mir der Ursprung des Ganzen klar. Ich wusste, was du tatest, und warum. Es machte mich stolz, ich empfand geradezu Ehrfurcht vor dir.«
»Nein ...«
»Doch. Aber du musst begreifen, Avalon, dass ich während der ganzen Zeit nicht ein einziges Mal vor dir Angst hatte. Ich habe dir schon früher einmal gesagt, Treulieb, dass ich dich für reinen Herzens halte. Daran besteht keinerlei Zweifel. Du bist ein Segen für mich, bist freundlich, klug und voller Leidenschaft. Und wenn du das noch nicht wissen solltest, dann werde ich versuchen, dir das den Rest meines Lebens zu beweisen!«
Die Kehle war ihr wie zugeschnürt und wieder standen ärgerliche Tränen in ihren Augen. Doch sie durften sein, weil sie hier ganz nah neben diesem starken Mann saß, der so treu zu ihr hielt. Trotzdem rückte sie jetzt ein wenig von ihm ab, um ihn mit leicht gerunzelter Stirn anzuschauen. Ein schmaler Streifen Sonnenlicht fiel auf seine Züge und verlor sich im tiefen Schwarz seines Haars.
»Aber kannst du dir vorstellen«, fing sie an. »Nun ja, ich meine, ich habe dir gesagt, dass ...« Ihre Stimme verklang. Einerseits war sie zu schüchtern, um zu fragen, was sie wissen wollte; andererseits brauchte sie die Worte jedoch nach allem, was geschehen war. Sie erschienen ihr wichtig.
Wieder blickte er sie forschend an. Das Blau seiner Augen hatte die gleiche Farbe wie der ruhige Himmel. Dann leuchtete sein Blick auf, und blanke Freude war in ihm zu sehen.
»Meine herrliche Avalon! Ich habe so sehr auf die Legende vertraut, gehofft und gebetet. Weißt du wirklich nicht, wie es in meinem tiefsten Innern aussieht? Wenn du es tätest, dann würdest du wissen, wie sehr ich dich liebe. Aber ich wiederhole es hiermit, auch wenn ich das Gefühl habe, es bereits in alle Welt hinausgeschrien zu haben. Ich liebe dich. Ich liebe dich mehr als das Leben, mehr als den Mythos, mehr als alles, was ich je erträumt habe. Du bist die Antwort auf jeden Wunsch, den ich je hatte. Ich danke Gott oder dem Schicksal oder dem Fluch oder den Menschen – was immer es auch war, was dich zu mir und mich zu dir geführt hat!«
Marcus presste sie an sich, und Avalon kam ihm entgegen. Ihre Lippen waren nur einen Hauch voneinander entfernt und ihre Seelen miteinander im Einklang.
»Ich liebe dich«, flüsterte er. »Ich werde dich immer lieben. Das verspreche ich dir bis in alle Ewigkeit.«
Ich liebe dich, Avalon, ich liebe dich ...
Ich liebe dich, Treulieb.
In den winterlichen Ästen des Kirschbaumes, die sich über ihnen wölbten, saß eine Lerche, und ihr zu dieser Jahreszeit ungewöhnlicher Jubel erfüllte die Welt.
Epilog
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Fern und doch nah, in lichter Höhe und doch unten, im Fluss der Zeit und auch wieder nicht – lauschten der hundert Jahre alte Laird und seine Gemahlin den zärtlichen Worten und sanften Berührungen bei der Vollendung ihrer Geschichte. Sie sahen zu, wie ihre geliebten Kinder einander umarmten und Küsse tauschten, während sie mit dem begannen, was Sterbliche tun, wenn sie das Band der Liebe umschlingt.
»Das ist das Ende des Fluches, Treulieb«, jauchzte der Laird.
»Ja, die Erlösung ist gekommen«, bestätigte seine Gemahlin. »Der Fluch ist von unserer wunderbaren Familie genommen. Blühende Zeiten stehen bevor, und wir sind endlich frei!«
Die beiden Geister stiegen wie ein einziger auf, und wenn so etwas wie himmlisches Gelächter von menschlichen Ohren vernommen werden konnte, so hätte man es in diesem Moment gewiss gehört, als sie miteinander verschmolzen und nicht mehr zu unterscheiden waren. Bis in alle Ewigkeit eins, lösten sie sich in Funken von Glückseligkeit auf, wie ihre Liebe es ihnen immer verheißen hatte.
Copyright dieser Ausgabe © 2013 by Edel eBooks,
einem Verlag der Edel Germany GmbH, Hamburg.
Copyright © 1999 by Shana Abé
Published by Arrangement with FIVE RABBITS INC.
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen
Covergestaltung: Agentur bürosüd°, München
Konvertierung: Datagrafix
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ISBN: 978-3-95530-326-6
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