Sueße Prophezeiung
gekommen, nur um mich ihm zu widersetzen. Vielleicht war das falsch von mir. Ich weiß es nicht.«
Einen Moment lang schien er in seinen eigenen Gedanken zu versinken. Er war weit weg, hatte den Garten hinter sich gelassen und erlebte wieder die Wüste, den Sand, die goldene Sonne, doch dann kam er zurück.
»Du solltest nie Bedauern darüber empfinden, wie du auf das reagiert hast, was er dir antat. Und du brauchst dich nicht dafür zu entschuldigen, dass du die Legende leugnen wolltest. Bei Gott, es war dein Recht, das zu tun! Wäre ich an deiner Stelle gewesen, hätte ich nie deine Klugheit besessen. Dessen bin ich mir sicher. Doch trotz seiner Härte bist du erblüht und erwachsen geworden, Avalon, und du hast dich zum wundervollsten Menschen entwickelt, den ich je kennen gelernt habe – mit oder ohne Gabe.«
Sie neigte den Kopf zur Seite und betrachtete forschend sein Antlitz. Sie sah nichts als Ernsthaftigkeit darin, keinen Spott – nur diese fast schmerzhafte Schlichtheit seiner Worte, die durch seine Überzeugung noch leidenschaftlicher klangen.
»Und keiner kann sagen, was geschehen wäre, wenn du mir von deiner Vision erzählt hättest«, fuhr er fort. »Wir wussten alle, dass es eine Falle war, als wir die Nachricht erhielten. Und doch sind wir gekommen.«
»Aber ich hätte es verhindern sollen«, flüsterte Avalon, die wieder von ihrer Scham gepackt wurde.
»Wie? Wie hättest du das tun sollen, Treulieb? Das, was das Schicksal will, geschieht ohnehin. Eigentlich sehe ich das als eine weitere Gabe. Schau her: Meine Gemahlin ist am Leben, ich bin am Leben und ein lang verborgenes Unrecht ist der Gerechtigkeit zugeführt worden. Mir scheint, als habe sich alles zum Guten gewendet.«
Die Bedeutung seiner Worte durchfloss sie wie Balsam. Über seinen eigenen Schmerz und seine Zweifel hinweg nahm er sich ihrer an. Marcus spendete ihr Trost und verschaffte ihr mit der schlichten Wahrheit, die sie in ihrem verzweifelten Zustand nicht sah, Linderung. Für Avalon war ihr Gemahl die wahre Gabe, das größte Geschenk, das sie je bekommen hatte; diese Erkenntnis konnte sie keinen Augenblick mehr für sich behalten.
Obwohl es wie ein Wunder schien, war es ihr endlich doch gelungen, das Herz der Herzen zu finden, und es schlug in der edlen Brust von Marcus.
»Ich liebe dich«, sagte sie, »... schon seit langem. Aber jetzt kann ich dir erst sagen: Ich liebe dich!«
Er streckte die Arme aus und zog sie an sich. Sein Griff war ruhig und fest. Trotz der Schlinge und der Verbände ließ er sie kein Anzeichen von Schwäche spüren. Und wenn dies nach ihrem offenen Geständnis seine Art der Bestätigung war, dann akzeptierte sie das gerne und gab sich zufrieden.
Aber er war noch nicht mit ihr fertig. Er zog sie noch enger an sich, bis sie mit angewinkelten Beinen auf der Bank saß, während ihr Kopf irgendwo dicht an seinem Hals lag. Ohne großen Erfolg versuchte sie, seine verletzte Schulter zu schonen.
»Halt still«, lachte er. »Du reißt noch die Wunde wieder auf, sodass ich verblute, und all meine schönen Worte waren dann umsonst.«
Bestürzt sank sie wieder an ihren Platz und rührte sich nicht mehr. Marcus stieß einen befriedigten Seufzer aus und küsste sie auf die Stirn.
»Das ist schon besser«, meinte er. »Ich muss immer daran denken, dir mit meinem Ableben zu drohen; dann tust du nämlich, was ich von dir verlange.«
»Wie kannst du darüber scherzen«, wies sie ihn hitzig zurecht, aber er hob ihr Kinn und verschloss ihre Lippen mit einem heißen Kuss vor weiterem Maßregeln. Denn nun schmolzen alle Vorhaltungen unter der Süße seiner Lippen dahin. Und in ihr war nur noch dieses sanfte Glühen, das den Wunsch nach mehr beinhaltete.
»Meine wunderschöne Avalon, meine Kriegsmaid, ich würde es doch nie wagen, mir mit dir einen Scherz zu erlauben. Nun ja, vielleicht manchmal«, gab er zu und ließ sie nicht zu Wort kommen. »Aber jetzt habe ich dir etwas sehr Wichtiges mitzuteilen. Ich war im Zimmer des Barons die ganze Zeit bei Bewusstsein, sogar nach der Verwundung. Bisher habe ich dir noch nicht davon erzählt, weil ich mir nicht sicher war, wie du darauf reagieren würdest. Doch ich habe alles gesehen. Zuerst war mein Blick ein wenig verschwommen; aber selbst einem Mann, der zweimal angeschossen worden ist, konnten weder das Feuer noch die tobenden Männer draußen entgehen, Liebste.«
Unruhig rutschte sie hin und her, doch er hielt sie fest, während er mit den Lippen über ihre Stirn
Weitere Kostenlose Bücher