Süße Rache: Roman (German Edition)
zurückkommen.
Drea zwang sich aufzustehen; ihre Beine waren bleischwer und wollten nicht kooperieren, in ihr war alles wund. Sie schwankte und hielt sich zähneklappernd am
Bett fest, denn plötzlich war ihr eisig kalt. Eis hatte sich in ihren Adern gebildet, durchdrang kalt sämtliche Körperzellen und kühlte sie von innen her aus.
Sie hatte noch nie so gefroren, aber sie konnte sich den Luxus nicht gönnen, wieder unter die Decke zu kriechen. Sie musste etwas unternehmen, um eine Katastrophe abzuwenden, und das Einzige, was ihr einfiel, war ein völlig verrückter Plan. Mühsam strich sie die Decken und Kissen gerade, dann humpelte sie in die Küche und schnappte sich eine Dose Raumspray. Damit kehrte sie in ihr Zimmer zurück und besprühte die Laken, zog alles noch einmal straff und legte anschließend die seidene Tagesdecke auf. Sie postierte die Zierkissen in der gewohnten Ordnung auf dem Bett und versprühte anschließend noch etwas Raumspray im Zimmer und im Bad. Vielleicht bildete sie sich das nur ein, aber sie hätte schwören können, dass sie ihn immer noch riechen konnte.
Warum war ihr nur so kalt? Die Luft fühlte sich eisig an, aber sie hatte keine Zeit, den Thermostat zu regeln. Nachdem sie das Raumspray wieder in die Küche gebracht hatte, sammelte sie ihre verstreuten Kleidungsstücke ein und nahm sie mit ins Bad, wo sie alles auf den Boden fallen ließ, so wie sie es sonst auch immer tat. Dann schaltete sie das Wasser in der Dusche ein, drehte es so heiß, dass sie es gerade noch aushielt, stellte sich darunter und seifte sich hastig ein, um den Geruch und den klebrigen Schweiß abzuwaschen. Wenigstens spendete das Wasser etwas Wärme.
Denk nach! Sie musste nachdenken.
Sie konnte nicht. Zorn kochte in ihr wie dicker Teer und überzog ihr Gehirn mit einer klebrig schwarzen Schicht. Wie hatte sie nur so verflucht dumm sein können? Dumm, dumm, dumm! Sie ekelte sich vor sich selbst. Sie war doch
nicht so blöd, diesen Und-sie-lebten-glücklich-und-zufrieden-Quatsch wirklich zu glauben, aber offenbar genügten ein paar Stunden mit einem Typen, der seinen Schwanz zu benutzen verstand, und schon bettelte sie ihn an, sie mitzunehmen. Nein, nicht einfach »einem Typ«, sondern einem Mann, der so leicht tötete, wie sich andere Leute die Zähne putzten.
Hämischer Selbsthass schnürte ihr die Brust zu, bis sie zu ersticken glaubte. Was hatte sie sich eigentlich gedacht? Dass er sich in sie verliebt hatte, nur weil er sich entspannt Zeit gelassen und dafür gesorgt hatte, dass sie kam? Na sicher. Er setzte eine andere Technik ein, das war alles. Genau wie jeder andere Mann, mit dem sie bis dahin zusammen gewesen war, hatte er das Interesse verloren, sobald ihm einer abgegangen war.
Die Demütigung nagte an ihr wie ein hungriges Tier. Warum hatte sie nicht schlicht den Sex genossen, ohne dabei ihre Gefühle ins Spiel zu bringen? Stattdessen hatte sie reagiert wie das naive, dumme Ding, das sie mit fünfzehn gewesen war, als sie noch geglaubt hatte, dass ein Mann ihre Welt ins Lot bringen würde, statt noch mehr Chaos anzurichten.
Immerhin war sie jung gewesen, als sie zum ersten Mal auf einen Mann reingefallen war, der sie allein und schwanger zurückgelassen hatte – später nur noch allein -, was ihre Dummheit halbwegs entschuldigte. Das durfte nicht mehr passieren. Diesmal nicht.
Sie spülte die Seife ab, stieg aus der Dusche und zwang sich, obwohl sie vor Selbstekel fast würgen musste, das Handtuch zu nehmen, mit dem sich der Killer abgetrocknet hatte. Rafael hatte ein Gespür für Details, zu viele Handtücher wären ein todsicherer Hinweis.
Die Aircondition blies eisig auf ihre feuchte Haut, während
sie sich bibbernd mit demselben Handtuch die Haare abzutupfen begann, obwohl das Frottee zu durchnässt war, um noch viel zu bewirken. Schließlich warf sie das Handtuch beiseite und griff nach dem dicken Morgenmantel, der hinter der Tür am Haken hing, schlüpfte hinein und trat an den marmornen Schminktisch, um ihren Kamm zu nehmen und sich zu frisieren.
Als sie in den Spiegel blickte, bemerkte sie, dass ihr Gesicht nass war, und begriff halb überrascht, dass sie weinte. Schon wieder. Zweimal an einem Tag war bestimmt ihr persönlicher Rekord.
Sie würde nicht mehr weinen. Weinen half rein gar nichts. Am liebsten hätte sie sich die Tränen von den Wangen geohrfeigt.
Gleich darauf begannen sie wieder zu fließen. Drea blieb reglos stehen, den Blick fest auf die Frau im Spiegel und
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