Süße Rache: Roman (German Edition)
gleich vorsetzen würde.
Er ging neben ihr in die Hocke und suchte mit seinen dunklen Augen ihr Gesicht ab. Drea starrte weiter geradeaus und wischte sich noch einmal übers Gesicht. Vielleicht wurde sie nicht mit dem fertig, was ihr heute widerfahren war, aber sie würde auf jeden Fall mit Rafael Salinas fertig werden, selbst wenn sie der Versuch das Leben kosten sollte.
»Hat er dir wehgetan?«, fragte Rafael schließlich leise. Aus seiner Stimme sprach tödliche Regungslosigkeit, unterlegt von einer Schwingung, die sie noch nie bei ihm gehört hatte.
Sie nahm sich nicht die Zeit, seine Gefühle zu analysieren, sondern folgte einfach ihrem Instinkt. »Er hat mich
nicht angerührt. Ich hatte solche Angst, da wurde er – er hat gesagt, ich bin die Mühe nicht wert, dann ist er abgehauen.« Sie lachte kurz verbittert auf. »Das heißt wohl, dass du ihm die Hunderttausend noch schuldest. Tut mir leid.« Rafael war Latino; das Wissen, dass der Killer mit ihr geschlafen hatte, hätte in seinen Augen ihren Wert gemindert, vielleicht sogar so sehr, dass er nicht mehr versucht hätte, sie zu halten. Sie war nicht bereit zu gehen, noch nicht, darum musste sie ihm vorspielen, dass nichts passiert war.
»Er hat dich nicht angerührt?« Rafael war anzuhören, wie fassungslos er war.
»Damit seid ihr zu zweit, wie? Er wollte mich auch nicht haben.« Das hatte sie eigentlich nicht sagen wollen, die Verbitterung war zu deutlich und zu scharf herauszuhören, aber die Worte platzten ungewollt heraus. Sie bereute es sofort, ihm Einblick in ihre Gefühle zu gewähren, allerdings waren es echte Emotionen, und das hatte Gewicht.
Einmal war genug.
Von ihr aus konnte er sich zur Hölle scheren, einmal war für sie mehr als genug. Inzwischen war ihr klar, was der Killer bezweckt hatte: Es ging ihm um ein Spiel, das er mit Rafael getrieben hatte, und zwar so subtil, dass Rafael nicht den leisesten Schimmer hatte, wann er am Zug gewesen wäre. Es ging darum, wer sexuell attraktiver war, und der Killer hatte gesiegt, indem er ihr eine solche Überdosis Lust verabreicht hatte, dass sie den Verstand verloren und ihn allen Ernstes angebettelt hatte, sie mitzunehmen. Er hatte sie schlicht um den Verstand gevögelt, offenbar war ihr Hirn immer noch außer Betrieb, sonst hätte sie fähig sein müssen, dieses idiotische Heulen zu unterdrücken.
Wieder spürte sie die Qualen so frisch und so machtvoll, dass sie weinend das Gesicht auf die angezogenen Knie sinken ließ.
Rafael verharrte neben ihr, als wüsste er nicht, wie er damit umgehen sollte. Nichts in ihrer Beziehung hatte ihn auf so etwas vorbereitet; Drea war immer nur ein zuvorkommendes, lächelndes, hohlköpfiges Schmuckstück gewesen. Er hatte sie nie aufgeregt oder auch nur verärgert erlebt. Sie hätte darauf gewettet, dass er überzeugt war, sie würde sich ausschließlich fürs Einkaufen, Maniküren oder Haare machen interessieren, andererseits musste sie zugeben, dass sie sich auch wirklich bemüht hatte, diesen Eindruck zu erwecken.
Schließlich sagte er: »Ich bringe dir Wasser«, und verschwand im Haus.
Wasser! Als könnte ein Glas Wasser sie trösten. Sie war durcheinander, nicht durstig. Trotzdem war die Geste bezeichnend, denn Rafael brachte niemandem etwas; es war grundsätzlich andersherum, er bekam alles gebracht.
Er blieb weitaus länger weg, als er gebraucht hätte, um ein Glas Wasser zu füllen, woraus sie schloss, dass er das Penthouse durchkämmte, um nach einem Hinweis darauf zu suchen, dass sie ihn angelogen hatte. Im Geist ging sie noch einmal alles durch und versuchte festzustellen, ob sie etwas übersehen hatte.
Schließlich trat er wieder auf den Balkon und ging neben ihr in die Hocke. »Hier«, sagte er. »Trink das.«
Nachdem die Tränen so weit nachgelassen hatten, dass Drea glaubte, wieder reden zu können, hob sie den Kopf und wischte noch einmal ihr Gesicht trocken, bevor sie nach dem Glas griff und gehorsam einen Schluck nahm. »Ich wollte schon packen«, presste sie hervor, doch ihre Kehle war so eng, dass sie kaum zu verstehen war. »Aber
ich weiß ni-nicht, wohin ich gehen soll. Wenn du mich nur ein paar Tage bl-bleiben lässt, suche ich mir was Neues.«
»Du brauchst nicht auszuziehen«, sagte er und legte wieder die Hand auf ihre Schulter. »Ich will nicht, dass du ausziehst.«
»Du willst mich nicht mehr.« Sie schüttelte den Kopf und brachte schließlich den Mut auf, ihn anzusehen oder wenigstens in seine Richtung zu schauen; ihr
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