Süße Teilchen: Roman (German Edition)
holen und Kaffee zu machen. Als ich zurückkehre, streift Pete sein Jackett über.
»Willst du etwa schon gehen?«, frage ich. »Wir haben doch den Nachtisch noch gar nicht gegessen…«
Pete lässt nicht mit sich reden. »Tut mir leid, Schätzchen, aber ich muss morgen früh raus. Ruf mich an, wenn du aus New York zurück bist.«
Auf dem Heimweg schickt er mir eine SMS. »Danke fürs Essen. Du wirkst sehr glücklich. Das freut mich. Küsschen.«
Später im Bett drehe ich mich zu James um. »Warum schaffst du es nie, eine Sache vernünftig zu planen?«
»Was? Wie meinst du das?«
»Das bringt mich auf die Palme. Nicht mal heute Abend habe ich gewusst, ob du kommst oder nicht.«
»Aber ich hatte doch zugesagt, oder etwa nicht?«
»Nein, du hast es völlig im Unklaren gelassen. Und ich glaube, wenn ich dich nicht angerufen hätte, wärst du auch gar nicht erschienen.«
James zuckt mit den Schultern.
»Und nie weiß ich, wann wir uns das nächste Mal sehen werden. Warum legst du dich nie fest?«
Er sieht mich an, als würde ich versuchen, ihm ein streng gehütetes Geheimnis zu entlocken.
»Woran liegt das? Hast du vor irgendwas Angst?« Mir macht das nämlich Angst, weil ich nie weiß, woran ich bei ihm bin.
»Angst? Wie kommst du denn auf so was?«
Ich schweige, aber diese Taktik beherrscht James weitaus besser als ich.
»Was ist es dann?«, platzt es nach gefühlten zehn Minuten aus mir heraus.
»Ich bin noch dabei, mich an dich zu gewöhnen. Das dauert bei mir eine Weile.«
Und wie lange soll diese Weile noch dauern? James geht auf die fünfzig zu, ich werde in diesem Jahr vierunddreißig, wir sind keine Teenager mehr. Ist ihm das denn nicht bewusst?
Mir liegt so viel auf der Zunge, dass ich es nicht mehr herunterschlucken kann. Ich hole tief Luft.
»Nein, James, so läuft das nicht. Entweder lässt du dich ein oder nicht.«
Er nickt und lächelt sein wunderschönes Lächeln.
Am Freitagmorgen fährt James mich zum Bahnhof Paddington, denn von dort aus kann ich den Expresszug nach Heathrow nehmen. Zwar könnte ich zum Bahnhof auch laufen, denn von meiner Wohnung aus sind es nur zehn Minuten, aber James bleibt stur.
»Du willst ja nur sicher sein, dass ich auch wirklich verschwinde«, sage ich. »Bestimmt triffst du dich heute Abend mit Rob.«
»Nein, euer Ehren, ich habe ein ruhiges Wochenende geplant, ehrlich.« Wie zum Schwur hebt er drei Finger einer Hand. Dann runzelt er die Stirn. »Und du benimmst dich bei diesem Freund von dir, diesem Paul, ja?«
»Ich wusste ja gar nicht, dass du eifersüchtig bist.« Ich umschließe seine Hand und streiche mit dem Finger über seine Knöchel. In einer Kuhle ist eine winzige Narbe, nicht größer als eine Wimper.
»Bin ich nicht«, entgegnet er. »Aber ich weiß, wie Männer sind.«
»Du meinst, du weißt, wie du bist«, sage ich mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Du musst dich beeilen«, sagt James. »Sonst verpasst du den Zug.« Er nimmt mein Gesicht in beide Hände und küsst mich.
Ich hasse Abschiede.
New York ist phantastisch, wie immer.
Ich bin bei Pauly in TriBeCa abgestiegen. Wir haben uns vor sieben Jahren um Mitternacht in der Warteschlange vor dem Corner Bistro im West Village kennengelernt. Ich war am JFK in ein Taxi gesprungen und auf direktem Weg dorthin gerast. Pauly war mit leichter Schlagseite von der White House Tavern zum Bistro gewankt. An jenem Abend hatte er sich gerade von der x-ten Frau getrennt, die zumindest einen Hauch emotionaler Zuwendung von ihm erwartete. Wir standen draußen, jeder mit einem Bier in der Hand, und fingen an zu plaudern. Kurz darauf bekamen wir einen Platz, aßen Cheeseburger und fuhren anschließend in eine Kaschemme in Chinatown, wo Pauly mir lang und breit erklärte, wie der CIA und Frank Sinatra und Fidel Castro John F. Kennedy ermordet hatten. Irgendwann küsste ich ihn, nur um ihn zum Schweigen zu bringen. Später knutschten wir bis morgens um acht auf dem Dachgarten des Gebäudes, in dem er damals wohnte. Paulys Verschwörungstheorien können zwar nerven, aber er ist ein so heißer Typ und dabei so gutmütig, dass man ihm beinah alles verzeiht.
Am nächsten Morgen erzählte er mir bei French Toast mit Erdnussbutter, dass er noch immer nicht über Carissa hinweg sei, seine ausgeflippte Freundin aus der Highschool, die ihm eine Woche vor dem Abschlussball den Laufpass gegeben hatte, und dass er sich seitdem durch eine Reihe schöner Frauen gearbeitet habe, nur um Carissa Nummer zwei zu
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