Sueße Versuchung
Unsicherheit Augusta gegenüber, die sich so viel besser in den Gepflogenheiten der vornehmen Welt auskannte und zurechtfand, und dies immer wieder durchblicken ließ.
»Schade, dass Edward sich zur Zeit in London aufhält. Du musst ihn sicher sehr vermissen«, sagte Augusta endlich, nachdem sie Sophie mit einer ausführliche Schilderung über eine Hutmacherin gelangweilt hatte.
Sophie lächelte nichtssagend. Sie vermisste Edward tatsächlich, aber das ging diese beiden nichts an. Augusta hatte nach ihm gefragt, und sie hatte ihr gesagt, dass Geschäfte seine Anwesenheit in London nötig machten.
»Seltsam, dass er so unaufschiebbare Geschäfte hat. Also mein Ehemann dürfte sich das nicht erlauben. So unmittelbar nach der Hochzeit …«, sie lächelte maliziös. »Ich wundere mich – verzeih mir die Offenheit – immer noch, dass Lord Edward dich geheiratet hat.« Sie sah sich achselzuckend um. »Verstehe mich bitte nicht falsch, ich neide dir diese Stellung nicht, aber man hätte doch erwartet, dass Lord Harrington in seiner Position eine distinguiertere Frau genommen hätte.«
Dasselbe hatte sich Sophie ebenfalls schon gefragt, aber es von Augusta zu hören tat weh und machte sie wütend. Tante Elisabeth hatte diese Meinung schon vor der Hochzeit regelmäßig verlauten lassen und sie war bei Sophie auf fruchtbaren Boden gefallen. Weshalb hatte Edward tatsächlich eine kaum zweiundzwanzig Jahre alte Schottin geheiratet, die nie aus Schottland herausgekommen war, die sich in Männerhosen und auf einem Pferderücken wohler fühlte als im Mieder und in eleganten Kleidern? Brauchte er denn nicht wirklich eine repräsentable Frau? Eine, die sich in der feinen Gesellschaft wohl fühlte, und die vor allem nicht so gekränkt und beschränkt war, dass ihr auf eine so gemeine Bemerkung nicht einmal eine passende, hochmütige Antwort einfiel.
»Er wird schon wissen, was er tut«, erwiderte sie deshalb lediglich kühl.
»Ja, vermutlich.« Augusta und Aurelia wechselten einen Blick. »Ein Mann wie Edward liebt seine Freiheit. Und bei einer Frau von Stand hätte er sich wohl viel mehr anpassen müssen als bei dir, Sophie.«
»Ich werde Edward bestimmt keine Vorschriften machen«, entgegnete Sophie hitzig, obwohl sie sich dessen nicht so völlig sicher war.
»Nein, gewiss nicht. Und ganz bestimmt auch ein Auge oder zwei zudrücken, wenn er sich … nun … anderweitig amüsiert.«
»Was willst du damit sagen?« Sophie wusste in dem Moment, in dem sie die Frage stellte, dass sie sich damit eine Blöße gab. Aber es war zu spät.
»Nun, ganz Eastbourne weiß doch um seine Eskapaden.« Aurelia lächelte süßlich. »Er hatte schon in seiner Jugend einen Ruf als Draufgänger und Lebemann. Das ist auch der Grund, weshalb er sich für eine Zeit hierher zurückgezogen hat. Man munkelte etwas von einem Duell mit einem gehörnten Ehemann. Aber«, sie legte den Finger auf die Lippen, »so etwas dürfen wir natürlich nicht hören. Das wäre nicht
bon ton
.«
»Ich hörte auch etwas von …«, fing Augusta an.
Sophie erhob sich. Sie war zuerst tief erblasst, und nun zeigten sich rote Flecken auf ihren Wangen. »Und ich hörte davon, dass ihr beide euch verabschieden solltet, bevor ich den Butler bitte, euch hinauszubegleiten.« Sie ging mit energischen Schritten zur Tür, riss sie auf und deutete wenig elegant mit dem Kopf hinaus. Auf ähnliche Art hatte einmal ihr Vater einen streitsüchtigen Nachbarn hinauskomplimentiert.
Augusta und Aurelia waren sprachlos. Dann standen sie beide gleichzeitig auf und schritten mit erhobenen Nasen an Sophie vorbei. In der Tür blieb Augusta stehen.
»Man hört«, betonte sie giftig, »dass Lord Edward gar nicht nach London gefahren ist, sondern sich hier mit einer Dame der Londoner Gesellschaft trifft. Mit einer verheirateten Frau, mit der er schon des Öfteren die Festlichkeiten von Captain Hendricks besucht hat. Auch an diesen Abenden wieder, wie man
hört
.« Damit war sie in der Halle.
Für Sophie kam diese Bemerkung wie ein Schlag. Allerdings keiner, der sie stumm gemacht hätte, sondern sie nur zur Weißglut brachte, und im nächsten Moment schrie sie Augusta an: »Ich werde Edward bitten, einen Wachhund zu kaufen, der in Zukunft Leute wie dich fernhält! Am Hof meines Vaters wäre eine bösartige Schlange wie du nicht einmal auf hundert Schritt nahe gekommen, ohne sofort verjagt zu werden!«
Augusta rauschte, höchste Töne der Empörung von sich gebend, weiter, gefolgt von
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