Sueße Versuchung
man die riesige Halle.
Sophie sah keinen Grund, nicht das ganze Haus anzusehen, und so kam es, dass Manson, Edwards Butler, sie und Mrs. Drarey auf dem Dachboden fand, wo Sophie mit größter Begeisterung in alten Möbeln und im Staub stöberte.
»Mylady, Lord Edward sendet Ihnen seine Empfehlungen, aber leider haben es dringende Geschäfte nötig gemacht, dass er sofort nach London abreist.«
»Oh.« Die Freude am Kramen verflog durch diese Nachricht, und Sophie hatte Mühe, nicht enttäuscht das Gesicht zu verziehen, sondern gefasst zu wirken, wie es einer Lady geziemte. »Hat er gesagt, wie lange er fort bleiben wird?«
»Etwa drei Tage. Aber er wird Nachricht senden, falls seine Abwesenheit länger dauern wird. Er ist, falls Sie es wünschen ihm eine Nachricht zukommen zu lassen, in seinem Stadthaus erreichbar.«
So. Ihr Mann hatte also ein Stadthaus. Sophie war dankbar, dass sie diese Nachricht nicht mit Staunen aufnahm, sondern nur nickte und so tat, als wäre ihr dies selbstverständlich bekannt. Aber da sah sie einmal mehr, wie wenig sie von ihm wusste. Was ihn wohl nach London gezogen hatte? Familie? Geschäfte? Vielleicht sprach er gar mit der Polizei? Sie tastete nach ihrem neuen Anhänger, Edwards Geschenk an sie. Hieß dies, er versuchte tatsächlich, die Schmuggler loszuwerden?
* * *
Am Nachmittag besuchte Sophie Rosalind in ihrem neuen Stall. Edward hatte noch vor Sophies Einzug in dieses Haus dafür gesorgt, dass auch Rosalind ein neues Heim fand, und sowohl Sophie als auch ihre Stute waren mit der Unterbringung zufrieden.
Rosalind hatte eine doppelt so große Box wie in Tante Elisabeths Haus, und da Edwards Domizil etwas am Rande von Eastbourne lag, verfügte das Anwesen auch noch über eine umzäunte Wiese, die für die Pferde als Weide verwendet wurde.
Edward hielt keinen großen Stall. Er besaß lediglich seinen hübschen Rappen, den Sophie nun ausgiebig und in Ruhe bewunderte, dann zwei Kutschpferde und das temperamentvolle Paar, das er zuletzt vor den Phaeton gespannt hatte, als er Sophie von Tante Elisabeths Obstgarten heimgebracht hatte.
Sophie hatte Rosalind sofort auf die Weide geführt, ließ sie nun – lediglich mit dem Halfter – frei herumlaufen, sah ihr bei ihren übermütigen Sprüngen zu und fütterte sie dazwischen mit Karotten und duftenden Äpfeln, die sie beim Rundgang aus dem Vorratskeller hatte mitgehen lassen.
Als Mrs. Drarey die Idylle mit der Mitteilung störte, dass Sophies Base Augusta und deren Busenfreundin Aurelia zu Besuch gekommen wären, verdrehte Sophie die Augen. Sie zog Rosalinds Kopf, die soeben begierig nach einer weiteren Karotte schnappte, zu sich und flüsterte: »Die beiden haben mir noch gefehlt. Soll ich sie überhaupt empfangen? Was meinst du?«
Mrs. Drarey hatte zwar kleinere Ohren als Rosalind, aber offenbar ebenso gute. »Ich möchte Mylady nicht vorgreifen, aber ich würde vorschlagen, den Damen von Manson Erfrischungen servieren zu lassen. Für den Tee ist es noch zu früh.«
Sophie seufzte. Sie musste es wohl hinter sich bringen. Sie fühlte sich äußerst unbehaglich bei der Vorstellung, ihrer Cousine entgegentreten zu müssen. Es war nicht einmal vierundzwanzig Stunden her, seit Edward ihr in der Kirche seinen Siegelring angesteckt hatte, und sie das unerfreuliche Diner über sich hatte ergehen lassen müssen. Sie hatte zu dieser Zeit gehofft, zumindest für ein bis zwei Wochen keinen aus der Familie sehen zu müssen. Henry vielleicht ausgenommen.
Sie schlenderte, gefolgt von Rosalind, die sie in den Rücken stupste, missmutig über die Weide, verabschiedete sich dann mit einem Kuss auf die weiche Pferdenase von ihrer Stute und betrat das Haus, um in ihr Zimmer zu eilen und sich ein wenig frisch zu machen, wie Susan, ihre Zofe, die schon am Fuß der Treppe auf sie wartete, vorschlug.
Nur wenig später betrat Sophie den Salon und zwang sich zu einem freundlichen Lächeln, als sie die beiden Frauen begrüßte. Beide schenkten ihre eine ausführliche Musterung von oben bis unten, als hätten nicht nur das elegante neue Kleid, sondern vierundzwanzig Stunden Ehestand eine neue Person aus Sophie gemacht. Das hatten sie zwar auch, dachte Sophie, aber sie glaubte nicht, dass man diese Unterschiede auf den ersten Blick erkennen konnte.
Manson trat ein, servierte die von Mrs. Drarey vorgeschlagenen Erfrischungen, und zog sich dann mit einer tiefen Verbeugung vor Sophie wieder zurück.
Zuerst ging alles gut. Sophie unterdrückte ihre
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