Sueße Versuchung
versprochen. Leider kann ich es Dir heute Morgen noch nicht frei von
Schmugglern zu Füßen legen, aber nimm diesen Schlüssel als Pfand dafür.
Unglücklicherweise haben mich dringende Angelegenheiten von dir fortgeführt,
obwohl ich lieber noch den Rest des Tages mit dir im Bett verbracht hätte. Ich küsse
dich, bleib mir treu, ich bin so schnell wie möglich wieder bei Dir. E.
PS: Mach Dir heute Abend erst gar nicht die Mühe das Nachthemd anzuziehen.
Also doch ein Wüstling
, dachte Sophie bei dem Nachsatz zufrieden. Der Brief gefiel ihr. Sie studierte Edwards Handschrift, fuhr mit den Fingerspitzen darüber und drückte dann vorsichtig, um die Tinte nicht zu verwischen, die Lippen auf das schwungvolle E.
Er wollte sie also immer noch, er begehrte sie. War wild auf sie. Dies war eine jener Aussagen gewesen, an die sie sich im Taumel der vorigen Nacht noch erinnern konnte.
Sie hatte sich Sophie deshalb so sehr ins Gedächtnis geprägt, weil sie einer Liebeserklärung nahe kam und in dieser Hinsicht das Beste war, was sie bisher von Edward erhalten hatte. Das Beste außer diesem Brief und seinen lustvollen Bemühungen um sie, wohlgemerkt!
Die im Übrigen sehr aufschlussreich gewesen waren und nicht nur ihre Neugierde, sondern auch ein Bedürfnis sehr tief in ihr befriedigt hatten, über dessen Vorhandensein sie bisher nur sehr unklare Vorstellungen gehabt hatte. Sophie hatte von der Ferne aus zugesehen, sich ihre Gedanken gemacht, hatte das Küssen probiert, ein wenig sich selbst gestreichelt und mehr oder weniger absichtlich bei tiefergehenden zwischenmenschlichen Handlungen zugesehen. Aber jetzt, nach dieser Nacht mit Edward, wusste sie, was wirklich daran war. Wozu gewisse Unterschiede in der menschlichen Anatomie dienten, und was man damit alles machen konnte.
Sophie sprang aus dem Bett, bückte sich, um das am Boden liegende Nachthemd überzustreifen, zog die Vorhänge auf und blickte zum Fenster hinaus. Es war noch früh am Morgen. Wäre sie nun in Tante Elisabeths Haus gewesen, hätte sie überlegt, Rosalind zu satteln und auszureiten. Nun jedoch öffnete sie das Fenster, atmete tief durch, streckte sich und sang mit ebenso fröhlicher wie auch falscher Stimme einige Noten eines Liedchens. Es war ein Reel. Sie lachte fröhlich. Bei einem schottischen Tanz hatte sie sich in Edward verliebt. Ja, da musste es passiert sein. Als er mit ihr getanzt hatte. Sie sprang einige Takte und trällerte die Melodie mit.
»Guten Morgen, Mylady.«
Sophie blieb wie angewurzelt mitten im Hopsen stehen und griff hastig nach ihrem Morgenmantel, als Mrs. Drarey vor ihr stand. Die Haushälterin lächelte sie ebenso liebenswürdig wie wohlwollend an. Eine angenehme Abwechslung zu der morgendlichen Begrüßung von Tante Elisabeth, fand Sophie, nachdem sie ihre erste Verlegenheit überwunden hatte. Sie lächelte zurück.
»Ich wollte nicht stören, Mylady«, sprach Mrs. Drarey weiter, »aber als Sie mein Klopfen nicht gehört haben, habe ich mir erlaubt, einzutreten.« Sie hielt ein Tablett in der Hand, das sie nun auf ein Tischchen stellte und neben das Bett trug. »Ihre Morgenschokolade, Mylady. Lord Edward hat Anweisung gegeben, Ihnen diesen Morgentrunk zu servieren und Sie sonst, falls Sie noch schlafen sollten, nicht zu stören.«
Das war der Moment, in dem Sophie blutrot wurde. Weder Mrs. Drareys Stimme, noch ihr Tonfall oder ihr Gesichtsausdruck hatten etwas Anzügliches, aber Sophie war klar, dass absolut jeder im Haushalt wusste, dass Miss Sophie McIntosh in der vergangenen Nacht mit allem Drum und Dran zu Lady Harrington gemacht worden war. Und selbst, wenn Mrs. Drarey nicht so weit dachte, so sprach das zerwühlte Laken, die Flecken darauf und Sophies verstrubbeltes Haar Bände. Sophie griff hastig nach dem Becher mit der heißen Schokolade und stellte sich, als sie davon kostete, so neben das Bett, dass sie die Bettdecke über das Laken ziehen konnte.
Mrs. Drarey hatte entweder nichts bemerkt oder gab vor, nichts zu sehen, denn sie war schon damit beschäftigt, auch die Vorhänge des zweiten Fensters zurückzuziehen.
»Ein wunderschöner Morgen, nicht wahr, Mylady?« Sie wandte sich nach Sophie um und strahlte sie an. »Soll ich Ihnen die Zofe schicken, damit Sie Ihnen beim Ankleiden behilflich ist?«
Sophie hatte bisher nie eine eigene Zofe gehabt. In Schottland war es nicht nötig, da war sie schnell mit ihrer Garderobe fertig, und hier hatte ihr Tante Elisabeths Zofe Jane geholfen, wenn sie nicht mit
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