Süßer der Punsch nie tötet
kratzten.
»Welchen Preisträger haben Sie sich denn für den nächsten Goldenen Kochlöffel ausgeguckt?«, fragte sie und drehte sich zu Kraut um.
»Der Preis wird jedes Jahr zu Weihnachten vergeben. Gefell wäre ein aussichtsreicher Kandidat. Aber er spinnt immer dermaßen herum.«
»Was meinen Sie damit?«
Kraut rührte mit seiner riesigen Hand in seinem Haarschopf herum. »Statt dass er sich auf die alten, fränkischen Rezepte beruft, mixt er allerhand neumodisches Zeug in seine Gerichte. Vegetarische Varianten zum Beispiel. Vegetarisch! In Franken!« Er schien tatsächlich nichts anderes als Zustimmung von Katinka zu erwarten. Die konnte sich allerdings nicht erinnern, beim Blättern in ›Verschärfte Weihnacht‹ auf ein fleischloses Gericht gestoßen zu sein. Wahrscheinlich meinte Kraut die Beilagen.
»Wer bekommt denn den Kochlöffel in diesem Jahr?«
Kraut druckste herum. »Eine Köchin vom Jura. Führt einen kleinen Gasthof. Warum?«
»Egal, wird man ja in der Presse lesen können.« Katinka betrachtete eingehend den Adventskranz, dessen vier Kerzen allesamt schon gebrannt hatten. »Haben Sie schon den vierten Advent?«
»Sie verstehen das falsch!« Kraut begann, an den Fichtenzweigen herumzufummeln.
»Aber die Kerzen …«
»Wegen Gefell. Er passt nicht ins …«
»… Bild?«
»In unsere Zielgruppe. Gefell bezeichnet sich als Franken, aber er spricht kaum Fränkisch, und seine Mutter kommt aus Regensburg.«
»Das ist natürlich ganz und gar nicht gut.«
»Sie können leicht Witze reißen. Ich muss den Verein zusammenhalten.«
»Da sind ein paar Hardliner dabei, nehme ich an.«
Kraut seufzte. »Sie wissen doch, wie das läuft. Je weniger wir ein gemeinsames fränkisches Bewusstsein haben, desto eher versuchen wir, es mit Gewalt herzustellen.«
»Sie geben mir das passende Stichwort. Warum haben Sie Gefell auf dem Weihnachtsmarkt angegriffen?«
Krauts gigantische Faust donnerte auf die Tischplatte, dass eine der Adventskerzen umstürzte. »Er verhält sich immer so provokant. Als ob er der alleinige Meister der Küche wäre.«
Katinka ging ein Licht auf. Kraut stand einem Verein vor, dessen Mitglieder am liebsten ein Bundesland Franken ausrufen würden und das Kochen nur als Projektionsfläche für ihre patriotischen Aktivitäten nutzten. Vermutlich hätte er selbst Gefell gern mit dem Preis ausgezeichnet, konnte sich aber gegen den Mob nicht durchsetzen. Daher hatte er auf dem Weihnachtsmarkt versucht, Gefell auf Linie zu bringen, um ihn in den Augen seiner Mitstreiter doch noch preiswürdig zu machen. Katinka stand auf und ging zur Tür.
»Sie dürfen das nicht falsch verstehen, Frau Palfy. Für unsere Region muss etwas getan werden. Sonst versteppt hier bald alles.«
»Gefell hat doch nichts anderes gemacht, als die kalorienreiche, schmackhafte und deftige Küche mit seinen Gewürzen aufzumotzen! Oder täusche ich mich da?«
»Ach, der mit seinen Gewürzen. Mal ehrlich: Wissen Sie, was er da reinmischt?«
Claudius Gefell als Prügelknabe der Zunft. Passt das nicht mi t Marvin Kahls ›Unterhunden‹ zusammen ?
15. DEZEMBE R
Katinka saß in Hardos Büro und trank alkoholfreien Punsch. Sein Team hatte sich zu einer spontanen Adventsfeier eingefunden, aber Katinka war zu spät gekommen und knabberte nun an den Plätzchenresten.
»Wir haben die Herkunft des Anarchistentwitters ausgekundschaftet«, sagte Hardo. »Schnelle Unterstützung durch die Staatsanwaltschaft ist was wert.«
»Und?«
»Können wir vergessen. Das sind drei Schüler zwischen 14 und 17. Die sitzen am Chiemsee und wollen provozieren.«
»Ich bitte dich!« Katinka schüttelte den Kopf. »Todesfälle vorherzusagen, finde ich heftig.«
»Geschmacklos, keine Frage. Aber wir haben nicht den dünnsten Haken, an dem wir diese Vögel aufhängen könnten.«
»Na, toll.«
Es klopfte. Sabine Kerschensteiner steckte den Kopf herein. »Ach, hallo Katinka. Chef, es gibt ein Problem. Ruth Stein hat sich gerade gemel det. In Königsberg hat es wieder ein Kochkursopfer gegeben.«
»Was?« Katinka und Hardo sprangen gleichzeitig auf. Hardo stieß mit seinem Bauch den Plätzchenteller vom Tisch.
»Der Notarzt konnte die Frau wiederbeleben. Sie ist jetzt im Krankenhaus und kommt durch.«
Der Kochkurs hatte in der Küche des Schlemmerkellers stattgefunden, eines Restaurants mitten in Königsberg, dessen festlicher Weihnachtsschmuck Katinka kalte Schauer über den Rücken trieb. Der Ort war einfach zu schön, zu perfekt, zu
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