Süßer der Punsch nie tötet
und verstreute sich auf dem Boden. Katinka riss ein Kleenex aus der Schachtel und ver suchte, den Puder aufzuwischen, doch das Zeug erwies sich als ziemlich klebrig. Katinka brauchte drei weitere Papiertücher, um das verschüttete Pulver wegzukriegen, und stopfte den Abfall in einen neuen Plastikbeutel.
Sie ging zurück ins Wohnzimmer, aber nach einer knappen halben Stunde Suche gab sie auf. Falls Marvin Kahl Leute vergiftete, um sich Inspiration zu besorgen und groß rauszukommen, hatte er das Gift nicht in seiner Wohnung gebunkert. Sie schaltete das Notebook ein. Passwortgesichert. Immerhin, doof war der Krimimann nicht. Katinka versuchte es mit ›Krimi‹. Nichts. ›Krimi-Marvin‹. Es klappte. Windows baute sich auf. Katinka hatte eine Menge Texte erwartet, doch stattdessen fand sie vor allem Fotos. Ordner über Ordner mit Bildern in unterschiedlichen Formaten. Schnell hatte sie das Ordnungssystem begriffen: Marvin Kahl speicherte Frauenfotos nach Namen. Irina, Susa, Kathleen. In einem Folder befanden sich Porträts von Frauen, deren Namen er offenbar nicht kannte. Sie waren allesamt als ›unbekannt‹ etikettiert.
»Schande!« Katinka schüttelte den Kopf, als sie sich selbst mit Sabine Kerschensteiner von hinten sah, an Kahls Gartentor stehend. »Der hat ja noch einen viel größeren Knall, als ich gedacht habe.« Sie gab ›Sara‹ als Suchbegriff ein und wurde fündig.
»Sieh mal einer an.« Ihre Klientin räkelte sich in allerhand Posen auf einem Sofa. Nicht Kahls Sofa, soviel war klar. Auch die Porträt-Aufnahme, die Katinka von Sara Kaiser besaß, war auf dem Laptop gespeichert.
Katinka klickte durch die Dateien. Keine Aufnahme war gezielt pornografisch, es gab nicht einmal richtige Nacktfotos. Marvin Kahl hatte eine harmlose Schwäche für Frauen, vielleicht auch nur für ihre Bilder. Katinka suchte ›Gift‹, ›Digitalis‹, ›Fingerhut‹, ›Mutterkorn‹, fand nichts und brach ab. Sie fuhr den Rechner herunter, nahm die Lampe vom Kopf, sah sich noch einmal um und verließ das Haus so leise, wie sie hineingekommen war. Nur, um auf dem Gartenweg mit Marvin Kahl zusammenzustoßen.
Immerhin hat Katinka nun den Stalkingfall gelöst, ohne sich selbst als Rollkommando loszuschicken!
14. DEZEMBE R
»Ihr Stalker hat die Nase voll«, sagte Katinka zu Sara Kaiser. »Sollte er noch einmal auftauchen, sagen Sie mir sofort Bescheid.«
»Schicken Sie Ihre Rechnung.«
»Mit dem größten Vergnügen.« Katinka legte auf. Die vergangene Nacht hatte sich zumindest in einer Hinsicht gelohnt. Marvin Kahl schien zwar auf den ersten Blick nichts mit den Giftmorden in Caro Terentos Kochkursen zu tun zu haben, doch konfrontiert mit Katinka in martialischer Aufmachung auf seinem nächtlichen Gartenweg hatte er sofort zugegeben, Sara Kaiser nachgestiegen zu sein.
Katinka schulterte ihren Rucksack und verließ das Haus in der Herzog-Max-Straße. Wer konnte schon wissen, wie lange sie hier noch wohnen würde. Hardo würde nicht zu ihr ziehen – und irgendwie war ihr das ganz recht. Die Wohnung in dem gelben Backsteinhaus kam ihr vor wie eine Episode ihres Lebens, die sich ihrem Ende näherte. Sollten Hardo und sie jemals als Paar in die Gänge kommen, dann sicher anderswo, an einem ›neutralen‹ Ort.
Katinka stieg in ihren Beetle Cabrio. Kein besonders komfortables Auto für den Winter, doch sie hatte den Wagen von einer Freundin geerbt. An den Mord an Dani hatte Katinka lange nicht gedacht. Auf geheimnisvolle Weise schien der Beetle sie und Dani immer noch zu verbinden.
Katinka ließ den Motor an und fuhr los. Sie hatte die Adresse von ›Stamm der Franken e. V.‹ ausgekundschaftet. Ein Besuch im Ellertal sollte nicht schaden.
Der Verein siedelte im ehemaligen Schulhaus neben der Lohndorfer Kirche. Das mächtige Gebäude wirkte genauso klotzig wie der Mann, der Katinka die Tür öffnete: Der Riese mit den Rhabarberohren.
»Sie haben Nerven«, sagte Elmar Kraut.
»Und Sie ein paar Minuten für mich.«
»Wenn Sie das sagen …« Kraut presste die Lippen zusammen, bat Katinka herein.
»Was mich interessiert – was ist das eigentlich für eine Auseinandersetzung zwischen Ihnen und Claudius?«
»Ach, die Herrschaften sind per du?« Kraut führte Katinka durch ein eiskaltes Treppenhaus in seine Wohnung. »Setzen Sie sich.«
Katinka warf einen Blick aus dem Fenster. Von hier konnte sie die Sandsteinmauer der Kirche sehen, den Kirchhof und einen knorrigen Baum, dessen kahle Zweige an den Scheiben
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