Süßer der Punsch nie tötet
Magen.«
»Wirklich?«
»Wirklich. Die Konkurrenz und die vielen beruflichen Enttäuschungen machen die Leute zu Tieren.«
»Zu Mördern auch?«
»Du meine Güte!« Meurer presste den Handrücken an die Stirn. »Eines weiß ich: Caro ist anders. Abgeklärter. Sie sieht ihren Beruf nicht als einsa men Stern am Firmament. Kann sich auch was anderes vorstellen als die Kocherei.«
»Zum Beispiel ein Bed & Breakfast auf dem Land, mit dem sie sich übernommen hat.«
»Hat sie?« Meurer machte große Augen. »Damals haben wir uns eine Weile unterhalten. Nette Frau. Spricht gut Deutsch.«
»Und Claudius Gefell?«
»Ach, der gute Claudius. Er macht mehrere entscheidende Fehler. Erstens: Er sieht sich als Opfer. Zweitens: Er schuftet zu verbissen. Beim Kochen braucht man Humor und Leichtigkeit. Das Braten, Dünsten, Dämpfen muss bei allem Stress locker aus dem Handgelenk kommen. Und drittens: Er will unbedingt was werden. Ein Promi, der sein Konterfei auf den Klatschspalten findet und seinen Senf zu allem abgibt, was so passiert. Das ist seins.«
Otto Meurer erscheint durch und durch vernünftig. Und ziemlich sympathisch. Als würde er seine kochenden Kollegen nicht hassen.
22. DEZEMBE R
Katinka strukturierte sämtliche Zeugenaussagen. Irgendwas entging ihr. Sie konnte bloß nicht eingrenzen, was.
Ihr Handy klingelte. Fluchend nahm sie ab.
»Haben Sie meinen Artikel schon gelesen?«
In Sachen Selbstverliebtheit war Dante nicht zu toppen.
»Ich schenke Ihnen einen Spiegel zu Weihnachten.«
»Danke, ich habe mehrere. Warum verfügen Sie noch nicht über ein Abo unserer Tageszeitung?« Kichernd legte Dante auf.
Katinka blieb eine halbe Minute sitzen, dann sprang sie auf, warf sich den Mantel über und lief in die Austraße. Mit einem Fränkischen Tag trat sie den Rückweg an. Schlitternd im Matsch suchte sie nach Dantes Artikel. Sie war so vertieft, dass sie den Mann übersah, der sich ihr in den Weg stellte.
»Frau Palfy, noch am Arbeiten?«
Ausgerechnet Hauke von Recken musste ihr vor die Füße laufen, ihr Archäologieprofessor zu Zeiten, als sie noch darum gekämpft hatte, ein Diplom an der hiesigen Universität zu erwerben. In einem ihrer letzten Fälle hatte sie von Recken gelinkt; ihm Interesse an einer Ausgrabung vorgegaukelt, um auszuspionieren, wie tief der Gelehrte in ein Komplott aus an den Schalthebeln der Macht sitzenden Männern verstrickt war.
»Ich arbeite nicht, ich lese Zeitung.«
»Schade, dass Sie nicht mit nach Libyen kommen konnten. Und Sie wissen: Ihrer wissenschaftlichen Karriere stünde nach wie vor nichts im Weg.«
»Danke, kein Bedarf. Schöne Weihnachten.«
Wutschnaubend ging Katinka in ihr Büro zurück. Der tickte ja nicht mehr richtig. Er hatte sie einzig und allein in Afrika dabeihaben wollen, um sie in Bamberg aus dem Weg zu räumen. Ein untertäniger Dienst für ranghöhere Geheimbündler.
Sie schlug die Tür hinter sich zu, drappierte die Zeitung auf dem Schreibtisch und fand Dantes Artikel auf der Bamberger Seite. ›Kochen fürs Volk‹, lautete die Schlagzeile. Darunter stand: ›Wie Claudius Gefell die fränkische Küche stärkt.‹
»Meine Güte, Wischnewski!« Katinka ging in den Nebenraum, setzte Wasser für Kaffee auf und las den Artikel durch. Alles lief darauf hinaus, dass Gefell sich für den Retter der traditionellen fränkischen Kochkunst hielt, der vor würzigen Neuerungen keine Angst verspürte, solange die Substanz gewahrt blieb; der jedoch als unverstandener Outlaw behandelt wurde und jede Chance nutzte, dem Volk, für das er kochen wollte, eins vorzuwinseln. Der letzte Satz allerdings ließ Katinka aufhorchen. Gefragt nach seinem Verhältnis zur Konkurrenz antwortete Gefell: ›Konkurrenz belebt das Geschäft, aber ohne Konkurrenz lebt es sich besser.‹
Donnerwetter, dachte Katinka. Wie Hardo es ausdrücken würde: Ich muss mir den guten Claudius doch mal unter die Pupille nehmen. Sie griff zum Adventskalender und naschte die Schokolade aus den Türchen 14 bis 20.
Der Schnee war in Regen übergegangen, als Katinka um halb sechs auf die Obere Rathausbrücke zuschritt. Dante hatte sich ihren Plan angehört, ein, zwei Verbesserungsvorschläge gemacht und versprochen, mit seiner größten Kamera anzurücken.
Er wartete bereits vor dem Café Riffelmacher. Der Betrieb war unglaublich. Das Weihnachtschaos brach sich ungehemmt Bahn. Wer bislang von der Hysterie noch nicht infiziert war, hatte kaum eine Chance, sich schadlos zu halten.
»Soll es gleich
Weitere Kostenlose Bücher