Sueßer Tod
sollte. Aber auf eine Weise, die so typisch für Parties ist, löste die Gruppe sich auf und alle drei trugen für den Rest des Abends Sorge, daß sich ihre Blicke nicht mehr begegneten.
Da Bertie jene Fakultätsmitglieder eingeladen hatte, von denen er wußte oder annahm, daß sie Patrice, solange sie noch lebte, am wenigsten unterstützt hatten, und nun, da sie tot war, am wenigsten um sie trauerten, hörte Kate fast kein gutes Wort über sie. Patrice war lange genug tot; und die Schonfrist, während der der Ruf der Toten unantastbar ist, war längst abgelaufen: nisi bonum und so weiter.
Kate wurde sehr bald klar, daß Patrice so etwas wie ein Fokus strittiger Meinungen an diesem College gewesen war, besonders was die Lehrmethoden in Geschichte, englischer Literatur und griechischer Klassik anbelangte. Ihr Alter und ihre Position hatten sie in die Lage versetzt, jene zu ermutigen und zu unterstützen, die die vermeintlich gesicherten, in Wirklichkeit jedoch todgeweihten intellektuellen Positionen in Frage stellten.
»Dies«, sagte Bertie, der mit einem Mann im Schlepptau auf Kate zukam, »ist Professor Fiorelli. Er hat lange darum gekämpft, daß männliche Studenten am Clare aufgenommen werden. Er kann nicht verstehen, warum Frauen am College unter sich sein wollen, wo sie später doch mit Männern zusammenleben. Vielleicht sollten Sie«, sagte Bertie an Professor Fiorelli gewandt, »auch Frau Professor Fansler von Ihren Argumenten überzeugen.«
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»Mich müssen Sie nicht überzeugen«, sagte Kate. »Ich gehöre nicht zu den verbissenen Verfechterinnen reiner Mädchen-Colleges. Das Bild hat sich ja ohnehin verändert, jetzt, wo es keine rein männlichen Colleges mehr gibt.«
»Genau das finde ich auch!« polterte Professor Fiorelli los; fehlt nur noch, dachte Kate, daß er mir auf die Schulter haut. »Welche Wohltat, zur Abwechslung einmal eine vernünftige Frau hier zu treffen. Wir waren fast soweit, männliche Studenten zuzulassen, und es wäre wahrscheinlich sehr bald dazu gekommen, hätte Patrice Umphelby ihren beträchtlichen Charme, der für mich, nebenbei bemerkt, jedoch absolut unsichtbar war, nicht dazu benutzt, das Blatt zu wenden.«
»Aber bei einer so wichtigen Entscheidung kann doch die Meinung einer einzigen Person kein solches Gewicht haben?«
»Das glauben Sie! Sie sammelte die Opposition um sich. Die bestand nämlich nur aus plappernden Kaffeetanten und hätten ohne die Rückenstärkung von Patrice wohl nichts ausgerichtet.«
»Es überrascht mich, daß Sie an einem Frauencollege lehren, wenn Sie eine so geringe Meinung von Frauen haben. Andernorts, wo Sie sich nicht nur mit Studentinnen begnügen müssen, wären doch gewiß mehr Lorbeeren zu holen.«
»Natürlich wäre ich lieber woanders, aber heutzutage ist es nicht so leicht, seine Stellung zu wechseln. Außerdem hat es eine Menge Vorteile, hier zu lehren.
Denken Sie bloß an die Sportanlagen. Wenn die Mädchen fort sind, haben wir alles für uns – den Golfplatz, die Tennisanlagen, das Freizeitgebäude, den See.
Außerdem ist es hier gut für Kinder. Nun, von Zeit zu Zeit befallen einen allerdings Zweifel bezüglich der eigenen Männlichkeit. Wie ich höre, sind Sie in unserem Forschungsprojekt. Ich hoffe bloß, Sie bleiben auf dem Teppich, Frau Professor Fansler. An einem Frauencollege zu unterrichten, dagegen ist nichts einzuwenden, aber an einem Frauencollege mit feministischen Studiengängen –
das würde mich zum Eunuchen machen. Ehrlich gesagt, Frau Professor Fansler«, Professor Fiorelli senkte die Stimme: »Ich glaube nicht, daß Frauen, die sich mit anderen Frauen befassen wollen, Männer mögen. Sie wollen die ganze abendländische Literatur niedermachen und sich gegenseitig anmachen, ha, ha, ha.«
Kate sah ihn so lange an, daß ihm unbehaglich wurde. »Sind Sie«, fragte er,
»verheiratet?«
»Und Sie?« frage Kate, wie sie hoffte zuckersüß.
Allmählich schien Professor Fiorelli zu dämmern, daß er sich in Kate womöglich doch nicht die richtige Adressatin für seine Ansichten ausgesucht hatte.
Heutzutage wußte man einfach nicht mehr, woran man war. Sie ist doch eine attraktive Frau, wenn auch nicht mehr ganz jung… Kate konnte seine Gedanken lesen, als liefen sie über einen Monitor.
»Würden Sie denn sagen«, fragte Kate ihn mit echtem Interesse, »daß die Männer, die sich all die Jahre nur mit Männern befaßt haben, keine Frauen 44
mögen?« Aber Kate kam zu dem Schluß, daß sie seine Antwort
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