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Sueßer Tod

Sueßer Tod

Titel: Sueßer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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Leuten, die Patrice nicht mochten.
    Haben Sie eine Idee, wie ich das machen soll?«
    »Mehr als das. Ich habe Vorbereitungen getroffen. Meine Frau und ich geben heute abend eine Sherry-Party. Wir haben die wichtigsten Vertreter der Altphilologen, Anglisten und natürlich der Historiker eingeladen.«
    »Warum sollten die kommen, wenn sie so unbeliebt sind?«
    »An einem Frauencollege in einem kleinen Ort wie diesem, meine Liebe, besucht jeder jeden. Es gibt ja sonst nichts zu tun. Wo sonst könnten die Leute in Ecken herumstehen und intrigieren und klatschen? Ihr Ruf ist Ihnen übrigens vorausgeeilt, und ich verspreche Ihnen, es wird nicht nur Sherry geben. Was hätten Sie am liebsten?«
    »Gin pur«, sagte Kate und lächelte ihn an, während sie sich an einer holprigen Stelle auf seinen Arm stützte.
    »Sie fragen sich bestimmt«, sagte er, »ob Patrice Cocktailparties mochte – oder besser: ob sie sie ertrug. Nun, sie haßte Cocktailparties. Das war einer der Punkte, in dem wir uns unterschieden. Ich schwätze gern mit den Leuten – entweder, um neue Erkenntnisse oder Meinungen aufzuschnappen, oder um mir die hanebüchenen Ansichten anzuhören, die die Leute zu vielen Themen haben.
    Manchmal hat man sogar Glück und kommt in den Genuß von beidem. Patrice haßte jedes oberflächliche Gespräch, aber noch mehr haßte sie, glaube ich, die Hackordnung, die sich auf solchen Parties leicht herstellt. Wer wen eines Gesprächs für würdig befindet, das wird meistens nach Kriterien entschieden, die 40

    Patrice zuwider waren. Und so wie sie aussah und von unserer Gesellschaft mit dem Etikett ›alternde Frau‹ versehen, stellte sie immer wieder fest, daß niemand sie ansprach. Erst wenn die Leute wußten, wer sie war, kamen sie auf sie zu – ein Verhalten, das sie verachtete. Und wie ist Ihr Standpunkt in dieser endlosen Debatte?«
    »Ich hasse Cocktailparties«, sagte Kate. »Aber wenn ich Detektivin spiele, sind sie von unschätzbarem Wert. Man braucht sich keinen Vorwand auszudenken, um allen möglichen Leuten direkte und irritierende Fragen zu stellen, meine Lieblingssorte von Fragen. Zum Beispiel: ›Ich bin hier an einem Forschungsprojekt beteiligt. Was halten Sie, lieber Herr Professor Altertumsforscher, von der Einführung feministischer Studiengänge an Ihrer Universität?‹ Müßte ich die Leute in ihrem Büro aufsuchen, würden sie sich offiziell geben und mir mit ihren ausgewogenen Antworten kommen. Mit einem Glas in der Hand dagegen sagen sie mir, was sie denken und verraten obendrein noch viel über sich selbst.«
    »Gut«, sagte Bertie. »Kommen Sie um halb sechs. Ich werde mich ab und zu in Ihre Gespräche einmischen und meine Kollegen so ärgern, daß sie ihre Ängste, Unsicherheiten und engstirnigen Ansichten enthüllen.«
    Bertie hatte wirklich für Gin gesorgt, außerdem gab es Sherry, Weißwein und alkoholfreie Getränke für die Enthaltsamen. Kate war nicht überrascht, daß seine Frau ausgesprochen feminin war. Das hieß, sie mochte zwar eine eigene berufliche Karriere verfolgen, was für Berties Frau in der Tat zutraf, aber niemand käme auf den Gedanken, ihr bei der Theatervorführung einer Mädchenschule eine der Hosenrollen zu geben. Sie hieß Lucy und nippte ihren Sherry auf eine Weise, die ihr angeboren schien. Nähme ich Schlucke wie sie, dachte Kate, würde ich weit lieber Mineralwasser trinken. Für Kate fiel Sherry, völlig zu Unrecht, wie ihr wiederholt versichert worden war, in die Kategorie süßer Weine, und um nichts auf der Welt hätte sie ihn angerührt. Sherry war natürlich das Lieblings- – und, um die Wahrheit zu sagen, einzige alkoholische – Getränk ihrer Mutter gewesen. Nun, sollte Lucy ihren Sherry mögen, was zählte war, daß sie auch Patrice gemocht hatte.
    »Ich freue mich, daß Sie ans Clare gekommen sind«, sagte Lucy. »Bertie und einige andere vermissen Patrice sehr und trauern um sie. Aber nicht nur das: sie fühlen sich wie Antigone, so, als ob sie nicht beerdigt wäre – ich meine der Bruder; nicht Antigone, die wurde ja beerdigt, oder nicht?«
    »Welch schöne Metapher«, sagte Kate, die das griechische Drama ohne Schwierigkeiten entwirrte. »Ich glaube, im Grunde haben Sie damit beschrieben, was wir uns alle wünschen. Erzählen Sie mir, was Sie von Patrice hielten.« Aber ehe Lucy damit beginnen konnte, kamen die Gäste in Scharen.
    Nachdem sie Kate vorgestellt waren, beschränkten sich alle zu Anfang, wie nicht anders zu erwarten, auf vorsichtige

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