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Sueßer Tod

Sueßer Tod

Titel: Sueßer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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Fragen und Bemerkungen. Aber Kate fiel 41

    bald eine Professorin für Altertumswissenschaften mitsamt Ehemann auf – ein Paar, das gegen Patrice im Leben wie im Tode eine besonders große Abneigung zu haben schien. Sie schätzte, eine Anspielung auf das Forschungsprojekt über feministische Studiengänge – ein Thema, zu dem Kate im Grunde keine fundierten Ansichten hatte, nun, vielleicht verhalf ihr die morgige Sitzung ja dazu – würde den beiden nichts anderes entlocken als einen abgestandenen Vortrag über die Ignoranz der Feministinnen den alten Griechen gegenüber. Kate war von Natur aus viel zu ungeduldig, um sich so was anzuhören. Genau diese Ungeduld erklärte, zumindest Reeds Meinung nach, Kates besondere Vorliebe für die Stücke von Tom Stoppard. »Ich habe mich schon oft gefragt«, wandte Kate sich deshalb an die beiden, »warum noch nie ein Frauencollege nach Athene benannt wurde.«
    »Und Gott sei gedankt dafür«, schnaubte die Altphilologin. »Nicht, daß es nicht schon genug Athenes gegeben hätte, die Rektorinnen von Frauencolleges waren.
    M. Carey Thomas zum Beispiel ist für mich die moderne Inkarnation Athenes, und vor so etwas möge Gott uns bewahren!«
    »Vor Athenes Weisheit, meinen Sie, ihrer Gerechtigkeit?«
    »Vor ihrer Unweiblichkeit, Männernachahmerei und ihrem Mangel an weiblichen Tugenden.«
    »Wie interessant«, sagte Kate. »Sollten Ihrer Meinung nach Collegerektorinnen verheiratet sein?«
    »So weit würde ich nicht gehen. Aber sie sollten wenigstens nicht so daherkommen, als hätten sie vor, den Himalaja zu besteigen.«
    »So wie Patrice Umphelby, meinen Sie?«
    »Ach, Sie kannten Patrice? Natürlich, Sie müssen sie gekannt haben, um ein so gutes Beispiel zu bringen. Aber Patrice war nie Rektorin eines Colleges, dem Himmel dafür der gebührende Dank!«
    »Bereitet ihr Tod Ihnen Kummer?«
    »Natürlich, und nicht nur mir, sondern allen hier. Dem College Kummer zu machen, faßte Patrice offenbar als ihre Lebensbestimmung auf, und wie’s scheint, wurde sie dieser Bestimmung auch noch mit ihrem Tode gerecht. Virginia Woolf und Sylvia Plath sind zwei Schriftstellerinnen, die ich nicht ausstehen kann, aber immerhin besaßen sie so viel Anstand, in einen Fluß zu gehen oder sich zu Hause umzubringen. Wenn Sie meine Meinung wissen wollen, waren alle drei wie so viele Frauen heute: ohne Selbstdisziplin, voller Selbstmitleid und nicht in der Lage, sich für jemand anderen zu interessieren als für sich selbst.«
    »Vielleicht interessierten sie sich – wie die Amazonen – für andere Frauen?«
    »So etwas wie Amazonen hat es nie gegeben«, antwortete die Professorin mit einem Hohngelächter, das, wie Kate dachte, bis zum anderen Seeufer hin zu hören sein mußte. »Für die Griechen waren Frauen der Abschaum der Erde. Sie behandelten sie wie Hunde oder bestenfalls wie Sklaven. Die Auffassung der Griechen von Frauen zu romantisieren, heißt, all das historische Beweismaterial zu 42

    ignorieren, wovon das meiste natürlich nur in Altgriechisch zugänglich ist.«
    »Würden Sie sagen, daß das College sich beim Gedanken an Patrice ungefähr so fühlt wie Antigone ihrem Bruder gegenüber, dessen Leiche nicht beerdigt wurde? Lucy drückte es so aus, und ich fand das ein sehr gutes Bild.«
    »Lucy ist eine reizende, charmante Frau, aber von solchen Dingen hat sie keine Ahnung. Antigone war in Wirklichkeit eine alberne Närrin, und so wurde sie auch von den Griechen gesehen. Mein Gott, all der Schwachsinn, den ich über Antigone lesen und mir anhören muß.«
    »Wie unangenehm für Sie«, sagte Kate.
    »Das ist die Folge davon, daß die Leute die griechischen Dramen in Übersetzungen lesen und sich dann einbilden, sie wüßten genau Bescheid. Und erst die Feministinnen, was die mit griechischen Texten anstellen – zum Verzweifeln!«
    »Wie schwierig für Sie«, sagte Kate. »Sind Sie auch Altphilologe?« fragte Kate den Ehemann, der, was sie ziemlich überraschte, dem Gespräch noch immer zuhörte.
    »Ja«, sagte er, »ich bin aber inzwischen im Ruhestand, wissen Sie. Ich hatte das große Glück, mich zurückziehen zu können, ehe die gegenwärtige Woge von Schwachsinn über uns hinwegrollte.«
    »Zu früh für die Feministinnen«, sagte Kate, »zu spät für Nietzsche – einen besseren Zeitpunkt hätten Sie nicht wählen können.« Der Mann sah Kate an, als wisse er nicht recht, ob er ihre Bemerkung dem Gin zuschreiben, für Sarkasmus oder einfach gesunden Menschenverstand nehmen

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