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Sueßer Tod

Sueßer Tod

Titel: Sueßer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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Jungfräulichkeit, sich selbst zu gehören.«
    »Und meiner Meinung nach hatten sie damit völlig recht, die Griechen. Aber es gibt auch heute noch Männer, die meine Position verstehen. Grundsätzlich ist sie wohl kaum haltbar in unserer heutigen Welt, aber für sich ganz persönlich kann 49

    eine Frau eine solche Entscheidung immerhin treffen. Sogar für so manche griechische Frau war das möglich, denken Sie nur an Artemis. Herbert liegt mir nicht. Wissen Sie warum? Wegen seiner Kleidung. Herbert wird es möglich machen, daß Patrices Biographie geschrieben wird, also toleriere ich ihn. Archer braucht Herbert. Aber es stößt mich ab, wie seine Hosen um ihn schlottern, so als wäre er gerade fast ertrunken, und sein Retter hätte ihm viel zu große Hosen zugeworfen. Ich hab’ es gern, wenn Männerkleidung eng sitzt; Hosen müssen perfekt geschnitten sein, die Phantasie anregen, vermuten lassen, was sie bedecken.
    Komme ich Ihnen wie die typische alternde Jungfrau vor? Außerdem bin ich Herausgeberin von Werken der englischen Renaissance und Spezialistin für Renaissancemusik.«
    »Ich weiß«, sagte Kate. »Zumindest den Teil über die Renaissancemusik. Ihre Arbeiten sind sehr bekannt. Eins verstehe ich trotzdem nicht ganz: Bestehen Sie darauf, Männerhosen mit mir zu erörtern, weil Sie davon ausgehen, daß ich schockiert bin, oder ist das ein Gesprächsthema, das Sie seit kurzem auf Teufel komm raus und unter allen Umständen anschneiden?«
    »Archer sagte mir, daß Sie ungewöhnlich sind. Er hat offenbar recht. Wenn ich recht verstanden habe, hatten Sie nie beruflich mit Patrice zu tun, sondern sind ihr nur einmal auf einem Flughafen begegnet. Auch das hat Archer erwähnt.«
    »Ja, es gab nur diese eine Begegnung.«
    »Und doch hat sie Ihre Phantasie angeregt. ›Nur Frauen regen meine Phantasie an‹, sagte sie einmal zu mir, kurz nachdem wir uns kennengelernt hatten. Das war ein Zitat von Virginia Woolf, wie ich später feststellte. Ich wußte sofort, was sie meinte. Männer zu begehren ist sehr einfach, denn sie sind so leicht zu durchschauen. Manche, die großen Ausnahmen, können vielleicht sogar zärtlich und hingebungsvoll sein, aber selten, wenn überhaupt je, sind sie rätselhaft. Frauen dagegen halten Überraschungen bereit. Ich glaube, das hat sie damit sagen wollen.«
    »Sie sind das beste Beispiel dafür«, sagte Kate. »Tut mir leid, aber es ist so: Sie regen meine Phantasie an. Trotzdem, George Eliot behauptete, sie könne Frauen nicht besonders leiden. Das lag wohl daran, daß es vor hundert Jahren für Frauen sehr schwer war, die Überraschungen, die in ihnen steckten, auch auszuleben.
    Männer dagegen konnten sich von heute auf morgen zu Anhängern Darwins erklären oder aus den richtigen Gründen ihre Frauen verlassen.«
    »Es gibt vieles, was ich Ihnen gern über Patrice erzählen würde«, sagte Veronica. Offenbar war sie zu dem Schluß gekommen, daß es nun genug sei mit dem Geplänkel. (Mein Gott, und was für ein Geplänkel, dachte Kate.) »Wenn ich es Ihnen nicht erzähle, wird nie jemand davon erfahren, weil wir uns nie geschrieben haben. Wir sprachen miteinander, hier am College. Ob Biographen bei ihrer Gier auf Dokumente je bedenken, daß es über das Wichtigste im Leben eines Menschen selten Dokumente gibt – weil der Austausch von Gedanken via voce 50

    stattfindet? Bei Ehepaaren wissen wir nur dann, was beide sich sagten, wenn sie oft getrennt waren und korrespondierten. Was sie miteinander redeten, wenn beide allein waren, wissen wir nicht. Vielleicht schwiegen sie ja nur. Das gleiche trifft für Freunde zu, allerdings muß man hier davon ausgehen, daß sie miteinander sprachen, denn sonst würde die Freundschaft wohl kaum fortbestehen.«
    »Ich weiß nicht recht, wem Sie skeptischer gegenüberstehen: der Ehe oder Biographien.«
    »Beidem gleichermaßen, denn beide sind erst mal nur Papier. Über die Wirklichkeit sagen sie nicht viel aus. Aber um zu Patrice zurückzukehren: nachdem ihr Mann in New York ermordet worden war, von Straßenräubern niedergeschlagen und erschossen, wurde sie ein anderer Mensch. Aber in gewisser Weise hatte dieser Mensch, ihr neues Selbst, schon immer in ihr gesteckt, nur darauf gewartet, hervorzutreten. Sie mußte sich zum Beispiel daran gewöhnen, allein zu leben, aber auf gewisse Weise hatte sie, wie die meisten verheirateten Frauen, schon immer allein gelebt.«
    »Haben Sie je daran gedacht, mit ihr zusammenzuleben, es sich vielleicht

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