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Sueßer Tod

Sueßer Tod

Titel: Sueßer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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Kate.
    »Sie scheinen den ganzen Campus bis hoch zur Rektorin damit verstört zu haben.«
    »Die ist von allem verstört, was ihr Kuratorium und die Damen von den Clare College-Clubs in Iowa stören könnte.«
    »Warum Iowa?« fragte Kate.
    »Rein symbolisch gemeint. Die Frauen heiraten und dann treten sie in den 52

    örtlichen Clare College-Club ein, denn das erinnert sie an ihre Zeit im College, die Zeit in ihrem Leben, als sie vielleicht Ambitionen hatten, sich zumindest vorstellen konnten, das Leben hielte etwas anderes für sie bereit als die Rolle der Ehefrau und Mutter. Na, jedenfalls sind die Damen recht spendierfreudig, und sie nicht zu verschrecken ist die wichtigste Aufgabe der Rektorin. Zumindest sieht die das so.
    Aber ich finde, ein College muß der Wahrheit dienen. Und die Wahrheit ist, daß Patrice sich nicht das Leben genommen hätte, nicht zu dem Zeitpunkt und nicht auf die Art.«
    »Sagen Sie das, weil Sie sie so gut kannten, oder weil Sie etwas Greifbares in der Hand haben?«
    »Mehr als genug. Zum einen hätte sie mich auf irgendeine Weise vorbereitet.
    Mir nicht einmal einen Brief zu hinterlassen, so unfreundlich wäre sie nicht gewesen. Zum anderen Patrices Abschiedsbrief, der einfach grotesk ist. Nie hätte sie auf Charlotte Perkins Gilman angespielt.«
    »Wieso?«
    »Charlotte Perkins Gilman hat sich nicht einfach umgebracht, weil sie lebensüberdrüssig war. Sie hatte Krebs, und als die Schmerzen unerträglich wurden, beschloß sie zu sterben. Lieber Chloroform als Krebs, sagte sie. Die Polizei gab sich zufrieden, als sie herausgefunden hatte, wer diese Frau war.
    Weitere Fragen stellte sie nicht. Ich habe Charlotte Perkins Gilmans Abschiedsbrief. Sehen Sie selbst.« Veronica ging zu ihrem Schreibtisch und kramte ein Blatt Papier hervor, das sie Kate reichte. »Ich hatte ohnehin vor, es Ihnen zu schicken.« Kate nahm das Blatt in die Hand und las Charlotte Perkins Gilmans letzte Worte.
    »Eine letzte Pflicht. Das menschliche Leben besteht darin, daß wir einander dienen. Kein Kummer, kein Schmerz, kein Unglück oder gebrochenes Herz kann als Entschuldigung dienen, seinem Leben ein Ende zu bereiten, solange noch ein letzter Rest von Kraft vorhanden ist, anderen zu dienen. Aber wenn das Leben völlig nutzlos geworden ist, wenn man sich seines baldigen und unausweichlichen Todes gewiß ist, sollte es ein selbstverständliches Menschenrecht sein, einen schnellen und leichten Tod statt eines langsamen und qualvollen Siechtums zu wählen. Die öffentliche Meinung zu diesem Punkt verändert sich allmählich. Der Zeitpunkt rückt näher, wo wir es als unserer Kultur unwürdig empfinden werden, dem Menschen jahrelange Agonie zuzumuten. Bei jedem anderen Lebewesen sind wir ja schon jetzt bereit, die Qual gnädig zu beenden. In der Überzeugung, daß meine Entscheidung der Gesellschaft von Nutzen ist, indem sie dazu beiträgt, diese Frage offenherziger zu betrachten, habe ich mich für Chloroform entschieden statt Krebs.«
    »Sie werden bemerkt haben«, sagte Veronica, »daß hier gleich mehrere Ungereimtheiten existieren. Patrice hatte keinen Krebs und benutzte kein Chloroform. Und hätte sie wirklich Selbstmord geplant – warum hinterließ sie nur 53

    ihren Kindern eine Notiz? Und dazu eine solche? Nein, der Brief wurde von jemand anderem geschrieben, mit der Schreibmaschine, wie Sie gesehen haben.
    Patrice schrieb fast nie mit der Hand, tippte alles gleich in die Maschine. Der Brief stammt also von jemandem, der Patrices Gewohnheiten sehr gut kannte, aber nicht von ihr selbst. Der, der sie getötet hat, hat auch diesen Brief geschrieben.«
    »Aber warum die Anspielung auf Charlotte Perkins Gilman?«
    »Die wirkte wohl wunderbar charakteristisch für Patrice. Feministin bis zum bitteren Ende, verstehen Sie? Eine Frau zitiert die andere. Aber Patrice hätte ihre eigenen Worte gefunden, das versichere ich Ihnen.«
    Eher besorgt als überzeugt verabschiedete Kate sich wenige Minuten später und ging verdrossen zu Bett.
    Die Forschungsgruppe, die sich am nächsten Morgen versammelte, versprach keine Tragödie, sondern eine Farce zu werden. Die Rektorin erschien, um alle zu begrüßen, verabschiedete sich dann schnell wieder und überließ es der Gruppe (deren Forschungsziele Kate nach wie vor dubios fand und deren Mitglieder noch dubioser), darüber zu diskutieren, wozu in aller Welt ein Frauencollege feministische Studiengänge brauche. Die, die von deren Überflüssigkeit überzeugt waren, hatten

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