Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sueßer Tod

Sueßer Tod

Titel: Sueßer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
Vom Netzwerk:
nicht viel einfacher, eine Mutter zu haben, die man ablehnte und verachtete, so wie Kate ihre, von der sie immer gedacht hatte: So will ich nie werden! Töchter der Arbeiterklasse steckten oft in einem ganz speziellen Konflikt: sie wollen nicht werden wie ihre Mütter, wissen aber gleichzeitig, daß sie die Mütter nicht dafür verantwortlich machen können, daß sie so sind, wie sie sind. Aber bei einer Mutter wie meiner, dachte Kate, die so reich war, daß sie alles hätte tun können, und so dumm, daß sie überhaupt nichts getan hat? Wie wäre es gewesen, Patrice zur Mutter zu haben? Und wie wäre es für jemand wie Kate, eine erwachsene Tochter zu haben?
    Sie klingelte an der Tür und versuchte diese unproduktiven Gedanken zu verscheuchen. Sie nannte der Schwester oder Sekretärin, die den Summer betätigt hatte, ihren Namen. Dr. Umphelby sei gerade noch mit dem letzten Patienten beschäftigt, sagte die junge Frau. Könne Frau Professor Fansler einen Moment warten? Frau Professor Fansler konnte, und nachdem sie ihren Mantel aufgehängt und sich in dem leeren Wartezimmer niedergelassen hatte, stellte sie fest, daß sie so aufgeregt war, als stünde ihr die Untersuchung wegen einer tödlichen Krankheit bevor.
    Als jedoch Sarah Umphelby erschien und Kate in ihr Sprechzimmer bat, verscheuchte allein ihre Gegenwart all die Chimären der letzten Stunde. Sie war eine Frau in den Dreißigern, mit kurzen Haaren, und selbst der weitgeschnittene weiße Kittel verbarg ihre große füllige Figur nicht ganz. Gott sei Dank, dachte Kate, gefällt sie mir. Sie ist weder offiziös noch arrogant. Und ich weiß noch nicht mal, welche Sorte Ärztin sie ist. Kate fragte.
    »Ich bin Endokrinologin«, sagte sie. »Habe also mit allem zu tun, was mit den Drüsen zusammenhängt.«
    »In meiner Jugend glaubte man, Drüsen seien des Rätsels Lösung für alles. Ist das immer noch so?«
    »Wenn es irgendwelche Rätsel gibt«, lächelte die Ärztin, »so liegen sie wahrscheinlich in unserem Immunsystem. Sie erinnern mich übrigens an meine Mutter. Die Medizin faszinierte sie, und immer brachte sie mich dazu, darüber zu reden – schon als ich noch studierte und alle um mich herum mit meinen frisch erworbenen Kenntnissen zur Verzweiflung brachte. Zu Anfang fragte ich mich oft, ob sie aus reinem Takt Interesse zeige, aber sie war wirklich fasziniert. Und natürlich war sie auch stolz, eine Ärztin zur Tochter zu haben. Es war eindeutig das am wenigsten Hausfrauenhafte, was man sich denken konnte, und außerdem dachte sie, mit einem Doktor in der Familie käme man leicht an Rezepte.« Sarah lächelte.
    »Das gleiche dachte mein Bruder. Er ging noch zur Schule, als ich mit dem Studium begann, und er meinte, in drei Jahren könnte ich ihm dann alle möglichen 68

    verbotenen Dinge beschaffen. Zum Glück ist er erwachsen geworden.«
    »Wo ist er jetzt?« fragte Kate.
    »In Washington – genauer, im Staate Washington. Er ist Geologe, Spezialist für Vulkane. Er gehört wahrscheinlich zu den wenigen Menschen, die der Ausbruch des Mount St. Helens zutiefst befriedigt hat.«
    »Engagiert er sich – ich meine, in demselben Maße wie Sie – für die Schriften Ihrer Mutter? Liegt ihm auch daran, daß eine Biographie geschrieben wird?«
    »O ja. Er hing sehr an ihr, und, als Junge, hatte er weit weniger Probleme mit ihr als ich.«
    »Auf dem Weg hierher«, sagte Kate, »dachte ich, wie wundervoll, eine Mutter wie Patrice zu haben! Vielleicht war es gar nicht so wundervoll? Niemand, gegen den man rebellieren konnte?«
    »So etwas in der Art. Oh, mit der Zeit kamen wir sehr gut miteinander aus, so gut wie andere Mütter und Töchter, die ich kenne. Aber ich glaube, Mädchen haben viel größere Probleme, sich von der Mutter zu lösen, zumindest in unserer Gesellschaft, wo nur die Frauen sich um die Babys kümmern. Und sich von einer guten Mutter zu lösen, ist in gewisser Weise noch schwieriger. Die armen Mütter –
    wie sie’s machen, ist es verkehrt!«
    »Genau das habe ich auch immer gedacht«, sagte Kate.
    »Nun, ich bin auch Mutter. Aber mein Mann verbringt mehr Zeit mit dem Baby als ich. Wir sind neugierig, ob sich das später auf irgendeine Weise bemerkbar machen wird. Natürlich fürchte ich, daß unsere Tochter, aus schierer Perversität, in irgendeinen reaktionären Jugendverein geht und sich später zur passionierten Bridgespielerin entwickelt.«
    »Wie meine Mutter«, sagte Kate, der all ihre vorherigen Gedanken wieder einfielen. »Aber

Weitere Kostenlose Bücher