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Sueßer Tod

Sueßer Tod

Titel: Sueßer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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abgestritten hätte, im Gegenteil: Ihr Buch enthält eine Danksagung an Veronica, in der ihr Verdienst auf die anständigste und 63

    großzügigste Weise anerkannt wird.«
    »Henry James las überall Keime auf, bei Dinnerparties z.B. – Ideen für seine Geschichten und Romane, meine ich, keine Grippekeime. Und er hat es immer gehaßt, wenn die Leute ihm mehr über sich erzählten, als er wissen wollte. Aber soweit ich weiß, hat keine der Damen, die am Dinnertisch neben ihm saßen, je die Mitautorenschaft an einem seiner Bücher reklamiert.«
    »Genau. Aber er, vorsichtig wie er zweifellos war, wußte immer Distanz zu halten. Patrice dagegen hat sich ziemlich oft mit Veronica getroffen und vielleicht sogar ein wenig über ihr Buch geplaudert – wahrscheinlich eher aus Freundlichkeit Veronica gegenüber als aus eigenem Bedürfnis, aber das werden wir nie wissen.«
    »Wenige Autoren tun das«, sagte Kate.
    »Aber manche zeigen anderen ihre Manuskripte. Die Tochter vermutet, und ich gebe ihr recht, daß Veronica es nicht ertrug, als Patrice sich von ihr zurückzuziehen begann. Sie wollte ihre Aufmerksamkeit erzwingen. Und vor Gericht zu gehen und seine Mitautorenschaft einzuklagen ist ein höchst wirkungsvoller Weg, das zu erreichen.«
    »Aber Archer, warum hätte Patrice bereit sein sollen, sich mit Veronica zu einigen? Ist das nicht fast ein Schuldbekenntnis, sozusagen das Eingeständnis, daß Veronica im Recht war?«
    »Ich bin sicher, daß Patrice das so empfand. Aber einen Vergleich zu schließen, ist oft sehr viel einfacher, als auf seinem Recht zu bestehen. Das weiß jeder, der sich in diesen Dingen ein wenig auskennt. Patrices Anwälte, das muß man ihnen zugute halten, drängten sie, ein Angebot zu machen. Aber Veronica wollte sich nicht einigen: sie wollte Aufmerksamkeit.«
    »Wie manche Kinder, die ihre Zimmer in Brand stecken, wenn sie sich von ihren Eltern vernachlässigt fühlen.«
    »Welch bemerkenswerte Kinder Sie kennen! Aber die Ähnlichkeit ist nicht zu verkennen. Nach endlosem Hin und Her, unzähligen Schriftsätzen der einen und der anderen Seite, eidesstattlichen Erklärungen und überfülltem Terminkalender bei Gericht – ich hoffe, mein Bericht macht überwältigenden Eindruck auf Sie –
    kam der Fall zur Verhandlung und endete mit besagtem Vergleich.«
    »Und wie fühlte sich Veronica dabei?«
    »Aha. Madame Sherlock! Ja, wie fühlte sich Veronica? Ist es denkbar, daß Patrice, die Herbert ja, wie wir wissen, als Heilige ansieht, einfach gesagt hat: vergeben und vergessen? Patrice sprach mit niemandem über die Sache, ehe sie in diesen schrecklichen See ging. Oder wenn doch, so werden Herbert und ich es noch herausfinden müssen. Oder hatte Veronica vielleicht, fragt man sich, noch etwas anderes in der Hinterhand?«
    »Eins steht fest«, sagte Kate. »Ich finde es verdammt eigenartig, daß Veronica, so vertrauensvoll wie sie sich an jenem Abend mir gegenüber gab, die Geschichte mit keinem Wort erwähnt hat. Und noch eigenartiger finde ich, wie sie so fest 64

    davon überzeugt sein kann, daß Patrice ermordet wurde – sich niemals das Leben genommen hätte, jedenfalls nicht zu dem Zeitpunkt, nicht auf die Art, und nicht, ohne Veronica eine Botschaft zu hinterlassen. Und dann noch diese Charlotte Perkins Gilman.«
    »Die Frau, die in dem Abschiedsbrief zitiert ist?«
    »Ja. Sie hatte offenbar Krebs. Patrices Brief hätte nur Sinn ergeben, wenn auch sie, Patrice, Krebs oder eine ähnlich schreckliche Krankheit gehabt hätte. So zumindest argumentiert Veronica.«
    »Was uns«, sagte Archer düster, »zu dem Teil des Tagebuchs bringt, den die Tochter gerade gefunden hat. Vielleicht stimmt es sogar.«
    »Stimmt was?« sagte Kate, die das Gefühl hatte, ihr Gespräch verlaufe plötzlich à la Henry James.
    »Daß sie Krebs hatte.«
    »Scheiße«, sagte Kate, ganz und gar nicht à la James. »Warum habe ich plötzlich Sehnsucht nach Herbert?«
    »Herbert«, sagte Archer, »ist sehr verstört. Wie wir alle zermartert er sich das Hirn nach einer Erklärung. Ich bete bloß, er verfällt auf keine religiöse.«
    »Wollen Sie damit sagen, daß sie vielleicht wirklich das Motiv hatte, das sie in ihrem Abschiedsbrief andeutet?« fragte Kate und trank, ganz und gar nicht wie in feinen Clubs üblich, hastig ihren Kognak aus.
    »Meinen Sie, wir sollten noch etwas trinken?« sagte Archer. »Vielleicht sollte ich mir sogar eine Zigarette anzünden. Rauchen scheint wunderbar geeignet, Spannungen

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