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Sueßer Tod

Sueßer Tod

Titel: Sueßer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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es möglich«, fragte Kate, »jemanden zu hypnotisieren und ihm einzuflüstern, wenn er wieder aufwacht, müsse er ins Wasser gehen? Nein? Das dachte ich mir. Sprachen Sie etwas von einem Drink? Darf ich mir auch eine Zigarette anstecken – ohne Vortrag über die gesundheitsschädlichen Folgen beider Laster?«
    Als sie wenig später zum Campus zurückfuhren, verkündete Kate dem irgendwie abwesend wirkenden Archer, daß sie unbedingt genau herausfinden müsse, was während des Tages und Abends vor Patrices Tod am Clare College vor sich gegangen war. »Es war Juni«, sagte sie, »und das ist alles, was ich weiß.«
    »Und daß es die Zeit der Ehemaligen-Treffen war, wo unzählige Frauen herumstolzieren und einander unter ihren Falten und Fettpolstern wiederzuerkennen versuchten.«
    »Ich weiß immer, wann Sie sich Sorgen machen«, sagte Kate. »Dann werden Sie zynisch.«
    »Ach, Kate, ich bitte Sie! Wir haben es mit einer ganz wunderbaren Frau zu tun, einer guten Freundin und einer guten Schriftstellerin, was irgend jemand einmal von einer Spinne behauptete, wenn ich meinen literarisch gebildeten Freunden glauben darf, und alles an ihr ist einfach erfreulich. Zugegeben, sie hat den Tod hofiert, aber nicht auf eine skandalöse Weise. Wie Stevie Smith sagte:
    ›Oft nehme ich mich zusammen, denn schließlich kann ich nicht wissen, ob andere den Tod auch so fröhlich finden wie ich.‹ Ich bin nicht Herberts Meinung; Patrice war keine Heilige, aber sie war voller Mut, Klugheit und echter Herzlichkeit. Sie hatte keinen einsichtigen Grund für Selbstmord: weder ihr Alter noch irgendeine unheilbare Krankheit trieben sie in den Tod. Oje, jetzt hab ich mich verheddert –
    worauf wollte ich eigentlich hinaus?«
    »Habe ich Ihnen erzählt«, fragte Kate, »daß ich gerade die Briefe von Sylvia 111

    Townsend Warner lese? Schon nach wenigen Seiten machte ich die erstaunliche Entdeckung, daß sie Trinker kongenial fand. Wie gern hätte ich diese Frau gut gekannt – fast so gern wie Patrice. Über Trinker sagte sie: ›In ihrer Haltlosigkeit liegt Großzügigkeit. Viele Jahre lang hatten wir eine alkoholsüchtige alte Dame als Nachbarin, und ich hatte die größte Achtung vor ihr, denn sie wußte, was sie wollte (was nicht viele Frauen tun).‹ Ich glaube, genau das war auch das Wesentliche an Patrice: sie wußte, was sie wollte. Und irgend jemand fühlte sich davon aufs Äußerste bedroht.«
    »Kate«, sagte Archer, während er vor dem Haus der Rektorin hielt, um sie abzusetzen. »Ich bin verwirrt und unglücklich. Ich dachte, nach dem Gespräch mit Dirk Myers würde ich mich besser fühlen, aber jetzt bin ich erst recht durcheinander. Mir ist, als hätte ich Patrice verloren und fände mich in einem Roman von Simenon wieder. Passen Sie auf, gleich kommt ein Mann mit Filzhut um die Ecke und behauptet, wir wären zusammen zur Schule gegangen und seine Juwelen seien geklaut. Ich möchte zurück zur Biographie – zurück zu Patrice.«
    »Bald sind wir in New York, und Sie und Herbert gehen wieder an Ihre Arbeit.
    Sie haben Patrice nicht verloren, mein Lieber, Sie stehen einfach noch unter dem Schock, gerade die akademische Welt in ihrer vielleicht anachronistischsten Form, nämlich der eines reinen Frauencolleges, erlebt zu haben. Heute abend bin ich mit Madeline Huntley zum Essen verabredet, und vorher werde ich von der Rektorin und ihren Lakaien alle Fakten über jenen Junitag erfragen, an dem Patrice starb.
    Ich glaube natürlich nicht, daß uns das auch nur einen Schritt weiterbringt, aber morgen ist ohnehin die letzte Sitzung der Forschungsgruppe, und ich werde mein Bündel schnüren. Lieber Herbert, liebster Reed, wir sind im Anzug. Sie gehen erst einmal zu Bertie und Lucy und lassen sich durch ihr häusliches Glück aufmuntern.«
    »Mir steht der Sinn nicht nach häuslichem Glück. Kate, warum fahren wir nicht einfach nach Boston und stürzen uns ins Nachtleben?«
    »Archer, seien Sie vernünftig. Es ist doch nur das, was Sylvia Townsend Warner das fatale Gesetz der Schwerkraft nennt: Wenn du unten bist, fällt dir alles auf den Kopf.«
    »Tun Sie mir einen Gefallen, Kate? Wenn Sie sich schon weigern, mit mir durch die frivolen Lustbarkeiten Bostons zu streifen, wie es sich eigentlich gehörte, dann lesen Sie bitte ein anderes Buch.«
    Kate betrat die Stufen vor dem Haus der Rektorin, drehte sich um und grinste ihn an.

    112

Dreizehn
    Ein Satz Leonards fällt mir ein in dieser Zeit absoluter Leere und Langeweile.

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