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Sueßer Tod

Sueßer Tod

Titel: Sueßer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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Prozeß gegen Patrice.«
    »Ja. Vor kurzem kam sie und erzählte mir davon. Und an der ganzen Geschichte kam mir mehr als ein Punkt merkwürdig vor. Vor allem, daß Patrice ihr mehr oder weniger verzieh.
    Zugegeben, Patrice war vielleicht wirklich eine engelsgleiche Person, aber man sollte doch meinen, daß sie eine gewisse Distanz zu jemand gewahrt hätte, der sie vor Gericht geschleppt hat, und noch dazu mit solchen Vorwürfen. Aber wie es aussieht, war Patrice nach einer Weile mit Veronica geradezu wieder befreundet.
    Die einzige Erklärung ist: Patrice hatte beschlossen, nicht nach irgendwelchen Maximen zu leben, sondern von Fall zu Fall zu handeln, wie es ihr am besten schien. Sie hat zwar Veronica gegenüber wohl nie mehr so offen über ihre Bücher gesprochen – das ganz bestimmt nicht –, aber warum sich eine Freundschaft 114

    verbieten, die um einiges anregender war, als alles andere, was auf diesem Campus unter der Bezeichnung ›menschliche Beziehung‹ firmiert. Der andere merkwürdige Punkt ist, daß Veronica offenbar wirklich davon überzeugt war, eine wichtige Rolle sowohl bei der Konzeption wie auch bei der Niederschrift von Patrices Buch gespielt zu haben, und sie wollte von Patrice dafür öffentliche Anerkennung. Du würdest es nicht glauben, meine Liebe, wie sehr wir uns alle danach sehnen, endlich von unseren Eltern, oder deren Stellvertretern, anerkannt zu werden. Mein Vater, der die achtzig längst überschritten hat, glaubt, ich hätte mich dem Teufel verschrieben mit meiner Psychiatrie und daß ich obendrein noch eine Radikale bin.
    In meinen gelasseneren Momenten ist mir natürlich klar, daß der alte Tölpel einfach ein Erzreaktionär ist, aber immer noch träume ich davon, daß er zu mir sagt: ›Das hast du gut gemacht, mein Kind.‹«
    »Aber wie wurde Patrice Veronicas Mutter? Veronica hat ihre Mutter geliebt, das hat sie mir selbst erzählt, und Mami, nehme ich an, hat zu ihr gesagt, ›Gut gemacht, mein Mädchen‹.«
    »Nimm lieber nichts dergleichen an. Ich glaube, ich bestelle Lammrücken. Das ist die Art deftiges Essen, die man nicht mehr gehabt hat, seit die Kinder aus dem Haus sind, und außerdem sind ja heute sowieso alle Vegetarier, besonders am Clare. Das gilt dort als Revolution, was natürlich reizt, sich auf der Stelle in einen Kannibalen zu verwandeln. Wo war ich? Mütter! Weißt du, meine Liebe, wir Analytiker sind daran gewöhnt, den Part der guten Mutter zu übernehmen, damit die wirkliche Mami die böse sein kann. Und wie es aussieht, war Patrice für Veronica die gute Mutter. Zitiere mich aber bitte nie. Warum reden wir eigentlich über Mütter?«
    »Warum reden wir überhaupt über etwas? Madeline, eins ist mir einfach ein Rätsel: wenn ich den Vorträgen von Leiterinnen feministischer Forschungsprogramme aus Princeton zuhöre, bin ich sofort bereit, für die Sache der Frauen auf die Barrikaden zu gehen und zutiefst davon überzeugt, daß der Wandel in den hergebrachten Ideologien der Geschlechterrollen die tiefgreifendste Revolution der Weltgeschichte ist – aber ich brauche nur zwei Tage am Clare zu verbringen, und schon bin ich dafür, daß alle weiblichen Säuglinge bei der Geburt ausgesetzt werden. Habe ich irgendein psychisches Problem oder ist irgend etwas abgrundtief falsch am Clare, oder vielleicht an allen Frauencolleges?«
    »Es gibt einfach nichts Tröstlicheres für die Seele als Pastete auf Toast. Ist es wirklich so köstlich oder macht es nur dick und besänftigt?«
    »Genau dieses Gespräch habe ich schon mit Archer geführt. Hör bitte auf, übers Essen zu reden. Iß und trink, aber sprich übers Clare.«
    »Kate, ich hab dir doch meine Meinung schon gesagt, damals in dem stickigen Tunnel. Lies Margaret Rossiter, wenn du wissen willst, wie es Frauen in diesem Land ergeht, die wissenschaftlich arbeiten. In dem Maße, wie die Wissenschaft zu einer immer härteren Angelegenheit wurde, wurden die Frauen als das Gegenteil 115

    von hart angesehen: weich, liebevoll, fraulich, bezaubernd irrational. Der Rollenkonflikt ist also uralt. Rossiter schreibt, daß Emma Willard bei der Eröffnung ihrer Schule so tun mußte, als sei ihr Ziel, bessere Ehefrauen, bessere Hausfrauen und Mütter heranzuziehen, während sie in Wirklichkeit soviel Wissensstoff wie möglich vermittelte. Wußte sie, was sie tat? War ihr die doppelte Botschaft bewußt? Rossiter weiß es nicht, und auch wir können es nicht wissen.
    Aber alle Frauen im Erziehungswesen stecken in dieser

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